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Archiv-Artikel

STOLPES OPTIMISMUS BRINGT DEM OSTEN WENIG Schöne Worte, kein Konzept

Manfred Stolpe hat die optimistische Brille aufgesetzt. Der Regierungsbeauftragte für den Aufbau Ost, im Hauptberuf Verkehrsminister, schwärmt in seinem Jahresbericht von der erfolgreichen Aufholjagd der neuen Länder, vom leicht höheren Wirtschaftswachstum und beim verarbeitenden Gewerbe fast schon von einem Boom. Das mag alles ungefähr richtig sein. Dem Osten bringt es aber wenig.

Es läuft wirklich nicht schlecht in der Produktion östlich von Rhön und Harz. Aber leider schafft in der modernen Industriegesellschaft die Produktion vielleicht noch ein Sechstel der Arbeitsplätze. Wenn im Osten nicht die westdeutsche Bürokratie mit all ihren Jobs in Ämtern und Ministerien Wurzeln geschlagen hätte, wenn nicht ein paar Millionen Leute jährlich die Ostsee oder den Thüringer Wald sehen wollten – dann wären nicht ein Fünftel, sondern vier Fünftel der Ostdeutschen arbeitslos. Die Mittel für den Osten müssen daher nicht besser fokussiert, sondern weitgehend umgeschichtet und auf anderen Wegen verteilt werden.

Die Bewohner von Neufünfland sind nämlich längst schon so, wie es alle Sonntagsredner von den Deutschen fordern: Sie sind in der Mehrheit flexibler, als jeder Westdeutsche zu träumen wagt, gut ausgebildet, offen für jede Chance. Es arbeiten Facharbeiter für Löhne wie vor 30 Jahren, bei Arbeitszeiten wie vor 60 Jahren. Ihnen bleibt auch nichts anderes übrig. Denn im Osten ist die Schicht der kleinen und mittleren Unternehmer in aufstrebenden Branchen zu klein – genau die Schicht also, die Arbeit schafft. Es fehlt die Förderung von Know-how für Uniabgänger und andere Existenzgründer. Vor allem fehlt es an günstigem Risikokapital. Hier versagen die Banken genauso wie die Kapitalisten im Lande. Deshalb müsste der Staat einspringen, und zwar noch weitaus offensiver, als er es derzeit über die Kreditanstalt für Wiederaufbau tut. Auch kann er die Grenzen nach Polen und Tschechien für Arbeiter öffnen, anstatt sie für Fachkräfte zu schließen. Denn über einen Austausch von Menschen und Ideen entstehen Arbeitsplätze. REINER METZGER