STEIGENDE MIETEN: Wir bleiben alle - in der Butze
Nirgendwo klettern die Mieten so schnell wie in Berlin. Der Senat und die Opposition setzen auf eine Bundesratsinitiative.
Die Mieten in Deutschland steigen - und nirgendwo steigen sie schneller als in Berlin. Das ist das Ergebnis einer Marktstudie des Forschungsinstituts empirica. Danach kosten Neubauwohnungen in der Hauptstadt im Schnitt 8,07 Euro zuzüglich Heiz- und Betriebskosten. Das ist gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg um 14 Prozent.
In der Studie wurden Zeitungsinserate für Wohnungen ausgewertet, die seit dem Jahr 2000 gebaut wurden. Teuerstes Pflaster in Deutschland ist nach wie vor München mit einer Nettokaltmiete von 12,35 Euro. Hier stieg die Miete innerhalb eines Jahres aber um nur 3 Prozent.
Für Reiner Wild, Chef des Berliner Mietervereins, kommen die Zahlen nicht überraschend. "Das ist ein Prozess, der sich seit einiger Zeit abzeichnet." Wild ist davon überzeugt, dass sich die Steigerungen auch für die Bestandsmieter bemerkbar machen werden. "Das wird sich im nächsten Mietspiegel niederschlagen." Zwar sind Mieterhöhungen in bestehenden Mietverhältnissen begrenzt; wenn der Mietspiegel aber aufgrund der zahlreichen Neuvermietungen steigt, haben die Eigentümer auch hier einen Erhöhungsspielraum.
Weniger pessimistisch ist Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). "Dass muss man in Relation sehen", sagte ihr Sprecher Mathias Gille. "Wir starten im Bundesvergleich auf niedrigem Niveau." Gille verwies auf eine Bundesratsinitiative des rot-roten Senats, bei der es auch um die Begrenzung von Neuvermietungen geht. "Wir wissen, dass uns andere Großstädte unterstützen." Beim nächsten Treffen der Bauminister am 30. September steht das Thema aber nicht auf der Tagesordnung. Im Mittelpunkt steht zunächst die Kürzung der Städtebaufördermittel durch die schwarz-gelbe Bundesregierung.
Der Opposition geht es nicht schnell genug. "Der Senat kann auch handeln, ohne die Zustimmung der anderen Bundesländer abzuwarten", sagt der grüne Baupolitiker Andreas Otto. So könnten mit einer Neuauflage der sogenannten Zweckentfremdungsverbotsverordnung unter anderem spekulativer Leerstand und die Umwandlung von Miet- in Ferienwohnungen verboten werden. Voraussetzung sei allerdings, dass der Leerstand auf unter 3 Prozent gesunken sei. Der Senat behauptet bislang immer noch, dass von den knapp 1,9 Millionen Wohnungen mehr als 109.000 leer stünden. Das wäre eine Quote von 5,7 Prozent.
Unterdessen geht Mietervereinschef Wild davon aus, dass das Mietenthema im Wahlkampf eine "zentrale Rolle" spielen wird. "Schon aufgrund der Haushaltsentwicklung wird es eine steigende Nachfrage nach Wohnungen geben", sagte Wild der taz. "Das werden wir bis September 2011 auf der Agenda haben." Der grüne Bauexperte Andreas Otto hat einen Vorschlag parat: Um die Neuvermietungsspirale zu dämpfen, "sollen die Bürger verantwortungsvoll mit ihren Umzugswünschen umgehen".
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