STANDBILD: DDR-Revolte als Trash-Epos
■ "Polizeiruf 110: Das Duell", Sonntag, DFF 1, 20 Uhr
Kein schnöder Polizeifilm lachte uns am Sonntag abend von der Mattscheibe entgegen, sondern ein überwältigendes Revolutionspanorama. Wir schreiben das Jahr 1989, die DDR rüstet zur großen Jubiläumsfeier, das Volk murrt, und Kommissar Beck jagt den langhaarigen Einbrecher Holm. Die Zeit ist jedoch aus den Fugen. In seiner Dienststelle wird der Befehl ausgegeben: „Feindlich-negative Aktivitäten sind mit allen Mitteln zu unterbinden.“ Der Klageruf am Resopalschreibtisch: „Aber wir sind doch Kriminalisten!“, verhallt ungehört. Und es kommt noch ärger. Kommissar Beck verfolgt wieder mal seinen Mann, der wieder mal in ein Intershop-Lager eingestiegen ist. Da bricht auch schon die Revolution los. Junge leute kommen aus der S-Bahn, angeregt diskutierend, ob sie sich in die Reihen der Kämpfer mischen sollen. „Ich hab' Angst, Jonas!“ — „Du, Anne, wir müssen jetzt endlich was tun!“ Der Schurke nimmt darauf keine Rücksicht, sondern schlägt einen unbescholtenen Bürger, der ihn aufhalten wollte, brutal zu Boden. Da liegt er dann, ist querschnittsgelähmt und mag von dieser Welt nichts mehr wissen.
Seine Freundin macht das so fertig, daß sie auch sterben will. Also die Überdosis Schlaftabletten. Im letzten Moment naht der Kommissar. Aber die Probleme fangen überhaupt erst an. In den Straßen prügeln die Ostbullen munter los, fangen die jungen Menschen ein und lassen sie auf dem Kasernenhof Spießruten laufen. Richtig fies machen sie das und Kommissar Beck beginnt zu grübeln. Auch andere Polizisten äußern beim kollegialen Wodka-Picheln am Küchentisch schon ihre ersten Zweifel. Hart trifft es den Kommissar, daß auch sein Sohn auf der Demo dabei war. „Konterrevolution spielen — mein Sohn!“
Und hier entspinnt sich von neuem jenes unerschöpfliche Drama zwischen Vater und Sohn, das einem immer wieder die Tränen in die Augen treibt. Sohnemann wird in den Kellern der Volkspolizei zusammengehauen, der Vater zur Straße vom Dienst suspendiert. Mittlerweile fragt er sich: „Sind die alle verrückt geworden?“ Immerhin kommt Sohnemann dann frei, und weil er glaubt, daß Vati „auf der falschen Seite“ steht, trennen sich ihre Wege. Vati schluft durch die einsamen Straßen der Nacht. Betrinkt sich.
Die drückende Frage jener Zeit wird uns per Nahaufnahme überreicht: „Was soll ich denn machen?“ Mit Egon Krenz glimmt noch einmal eine neue Hoffnung auf, der Einbrecher ist auch wieder zugange und fährt bei der Flucht eine Frau über den Haufen. Echt, der schreckt vor nichts zurück, und Kommissar Beck ist machtlos, weil seine Chefs alle gegen ihn sind. Er sucht seinen Sohn, eine positive Erscheinung mit Vollbart und breiten Schultern. Er findet ihm beim Ermittlungsausschuß. Sofort wird „der Riß, der durch unsere Familien geht“, ermittelt. Vati gesteht: „Ich habe mich dir gegenüber schuldig gemacht... Ich schäme mich!“ Und Sohnemann präzisiert: „Es geht um Strukturen!“
Der finstere Einbrecher will in den Westen fliehen, seine Frau muß sogar ihr Baby zu Hause lassen, das plärrt so herzzerreißend. Kaum wollen sie durch die Mauer schlüpfen, legt sich Kommissar Becks schwere Hand auf ihre Schultern. Das Unrecht ist dingfest gemacht, die Zukunft wieder hell: „Jetzt, wo die Mauer offen ist, fängt alles erst an.“ Ostdeutsche Vergangenheitsbewältigung in 80 Minuten, da bleibt kein Auge trocken. Olga O'Groschen
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