: SPÖ: Kein Votum gegen Waldheim
■ Der Parteitag der österreichischen Sozialisten vermochte sich nicht dazu durchzuringen, Bundespräsident Waldheim zum Rücktritt aufzufordern / Fred Sinowatz wurde wiedergewählt
Wien (dpa) - Der Parteitag der Österreichischen Sozialisten (SPÖ) hat sich am Donnerstag mit der internationalen Kontroverse um Bundespräsident Kurt Waldheim befaßt und festgestellt, daß der SPÖ–Gegenkandidat Kurt Steyrer 1986 „zum Schaden des Landes“ unterlegen sei. Eine entsprechende Resolution des Parteivorstands wurde mit großer Mehrheit angenommen. Darin wurde ausdrücklich das Recht anderer Kräfte in der Partei bestätigt, „aus Sorge um Österreich“ auch einen Rücktritt Waldheims zu verlangen. Nach dieser Kompromiß–Formulierung zog die Sozialistische Jugend einen eigenen, Waldheim–kritischen Antrag zurück, weil es verbal gar nicht möglich sei, „der Schädlichkeit dieser Person (Waldheims) für unser Land auch nur annähernd gerecht zu werden“. Eine Resolution des Bundes der SPÖ–Freiheitskämpfer, die konkret Waldheims Rücktritt empfiehlt, wurde mit 198 gegen 101 Stimmen abgelehnt. Das bedeutet, daß fast die Hälfte der Delegierten an der Abstimmung darüber nicht teilgenommen hatte. Der Vorsitzende der Freiheitskämpfer, Josef Hindels, erhielt demonstrativen Beifall für einen Diskussionsbeitrag, in dem er Waldheim einen „infamen Lügner“ nannte. Neben innen– und wirtschaftspolitischen Problemen wurden Fragen einer Annäherung an die Europäische Gemeinschaft, eines totalen Waffen–Embargos für den Nahen Osten und eines Wandels in Südafrika behandelt. Am letzten Tag des Parteitags äußerte sich Altbundeskanzler Bruno Kreisky zu seinem vielbeachteten Fernbleiben. In einem Rundfunkinterview fragte der langjährige SPÖ–Chef: „Was soll ich dort?“ Hätte er nicht gesprochen, wäre dies als Zustimmung ausgelegt worden, meinte Kreisky, der seit seinem Rücktritt 1983 der Partei sehr kritisch gegenübersteht. Andererseits wolle er nicht „Oppositionsredner in der eigenen Partei“ sein. In die Tagespolitik wolle er sich nicht mehr einmischen. Der Parteitag hatte am Vortag SPÖ–Chef Fred Sinowatz mit großer Mehrheit wiedergewählt, ihm allerdings bei der Wahl in den Parteivorstand mit nur 470 der 551 abgegebenen Stimmen einen Denkzettel verpaßt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen