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Archiv-Artikel

SPORTPLATZ Erleichterte Freudenschreie nach der Totengräberstimmung

ZWEITE LIGA Union Berlin beschert den Fußballgästen von RB Leipzig erst mal Begräbnisstimmung und sich selbst dann einen hart erkämpften 2:1-Sieg

Die erste Viertelstunde im Stadion war gespenstisch. Die Union-Fans blieben still wie Kirchenmäuse, sie hatten sich schwarze Plastikkutten übergezogen. Nur im Fanblock der Leipziger wurde gesungen – dass die Gästefans in Köpenick stimmungsmäßig das Zepter in der Hand haben, erlebt man sonst nie. Genau gegen diesen Gast aber richtete sich die von den Union-Anhängern initiierte 15-minütige Begräbnisstimmung. Die Botschaft: Mit Klubs wie „Rasenballsport“ Leipzig, bekanntermaßen von einem Brausegetränk-Konzern aus dem Boden gestampft, sterbe die Fußballkultur.

Dagegen wollte man mit dem Schweigen in Schwarz protestieren. Angesichts dieser Feindseligkeiten und offen zur Schau gestellten Abneigung rückte der Fußball am gestrigen Sonntagnachmittag in der Alten Försterei ein wenig in den Hintergrund – am Ende aber konnte Union mit einem verdienten, weil erkämpften 2:1 ausgerechnet gegen den finanziell übermächtigen Rivalen den ersten Saisonsieg einfahren. Das Spiel passte sich dabei vor allem in Hälfte eins mit vielen Fouls, Nickligkeiten und hektischem Geschehen der nicht gerade entspannten Atmosphäre zwischen den Klubs an.

Nach einer Viertelstunde war im Stadion dann also wieder alles beim Alten – die Union-Fans peitschen ihr Team nach vorne , auf dem Rasen aber ging wenig zusammen. „Alle Bullen sind Schweine“ in White-Stripes-Version wurde derweil zum liebsten Fangesang der Unioner. Spielunterbrechungen gab es im Minutentakt, immer wieder zerstörten kleinere Fouls auf beiden Seiten den Spielaufbau. So standen am Ende der ersten Halbzeit 21 Fouls, aber nur acht Torschüsse.

Die etwas besseren Chancen hatte dabei noch Leipzig, RB-Außenstürmer Matthias Morys tauchte nach einer knappen halben Stunde frei vor Union-Keeper Daniel Haas auf, der abwehren konnte. Kurz zuvor hätte es wohl Elfmeter für die Brausekicker geben müssen, als Mittelstürmer Daniel Frahn im Strafraum von Haas gefoult wurde – Schiedsrichter Tobias Stieler aber entschied auf Schwalbe und Gelb für den Stürmer, was fragwürdig erscheint.

In Hälfte zwei ging es vor den 21.366 Zuschauern auf den Rängen nicht mehr ganz so ruppig zur Sache. Leipzig blieb spielüberlegen, während die Eisernen konterten. Gästestürmer Yussuf Poulsen fiel zweimal im Strafraum, wieder gab es keine Strafstöße für die in blau-gelb gekleideten Gäste aus Sachsen.

Das Schweigen der Union-Fans war dann endgültig Geschichte, als Sebastian Polter nach einem Freistoß von links mit dem Kopf zur Führung für die Köpenicker einnickte – da setzte die – zunächst nur kurz andauernde – Partystimmung bei den Unionern ein. Denn fünf Minuten später traf der stets gefährliche Poulsen mit einem Heber zum Ausgleich. Sebastian Polter spielte sich dann endgültig in die Herzen der Union-Fans, als er mit einem überlegten Abschluss frei vor dem Tor die erneute Führung besorgte.

Die kurz unterbrochene Party konnte also weitergehen, und als wenig später der Abpfiff ertönte, hatte Union den ersten Sieg in der Spielzeit 2014/15 eingefahren. Hatte man zum Anpfiff noch Totengräberstimmung im Stadion, so gab es 90 Minuten später mit jetzt sechs Punkten und Platz 14 erleichterte Freudenschreie und Siegesgesänge aufseiten der Fans in Rot-Weiß. JENS UTHOFF