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SPORTMUFFEL Der Niedergang scheint unaufhaltsam: Der HSV dümpelt. Olympische Spiele wollen sie nicht. Nach den Handballern schmeißen nun auch die Hamburg Freezers hinHamburg, am Arsch

Eingefrostet: Thomas Oppenheimer (l.) und Daniel Spang, bis vor Kurzem noch Profis der Hamburg Freezers, müssen vom Eis Foto: imago

aus Hamburg Hendrik Buchheister

Der Hamburger Volkspark ist das vielleicht größte Krisengebiet, das der deutsche Sport zu bieten hat, und das schon seit Jahren. Der Hamburger SV ist von einem europaweit geachteten Klub geschrumpft zu einem hochverschuldeten Chaos­betrieb. Aber immerhin: Es gibt ihn noch. Er wird auch in der kommenden Spielzeit die Massen in den Volkspark ziehen, anders als die Nachbarn des Klubs.

Gegenüber dem HSV-Stadion liegt die Sporthalle, die maximal 16.000 Zuschauern Platz bietet und seit ihrer Eröffnung im November 2002 die Namen verschiedener Sponsoren trug. Sie bot den Handballern des HSV Hamburg sowie den Eishockeyprofis der Hamburg Freezers eine Heimat, doch damit ist es vorbei. Die Handballer, die mit dem traditionsreichen Fußballklub übrigens nur das Namenskürzel und das Wappen gemeinsam hatten, meldeten im Januar Insolvenz an. Und in dieser Woche verkündeten die Eigentümer der Freezers, die Anschutz Entertainment Group, dass sie zur neuen Saison keine Lizenz beantragen werden, völlig überraschend. Der US-Konzern will sich nur noch ein Team im deutschen Eishockey leisten, die erfolgreicheren Eisbären Berlin.

Und so gehen im Hamburger Sport langsam die Lichter aus. „Tschüs, Sportstadt Hamburg“, kommentiert die örtliche Presse. Oder: „So stirbt die Sportstadt Hamburg“. Und „Die Sportstadt Hamburg ist tot“. Die zweitgrößte Stadt Deutschlands, die so sehr von sich selbst überzeugt ist, die stolz ist auf ihren Wohlstand, auf den Hafen und auf ihren Status als Tor zur Welt, verkommt zur sportlichen Diaspora.

Die Freezers? Vom Eigner fallen gelassen. Die HSV-Handballer? Nicht wirtschaftlich, trotz sportlicher Erfolge. Die Volleyballerinnen von VT Aurubis? Meldeten sich Anfang April aus der Bundesliga ab, nachdem sie zwei Jahre lang ohne Erfolg nach einem Sponsor gesucht hatten. Die Cyclassics, das traditionsreiche Hamburger Radrennen? Steht vor dem Aus, weil der Namenssponsor abgesprungen ist. Das Tennisturnier am Rothenbaum? Ist längst in der Drittklassigkeit verschwunden und hat ständig Probleme mit Sponsoren. Die Zweitliga-Basketballer der Hamburg Towers? Kommen nicht so richtig vom Fleck und sind eher ein Stadtteilprojekt als ein Klub für ganz Hamburg. Über allem steht der geplatzte Traum von Olympia. Das Aus der Bewerbung für die Sommerspiele 2024 beim Referendum im November sei ein Signal an Politik und Wirtschaft gewesen, dass Hamburgs Einwohner kein Interesse an Spitzensport haben, sagen einige. Doch so einfach ist es nicht.

Und so gehen im Hamburger Sport langsam dieLichter aus

In Hamburg zeigt sich in dramatischer Zuspitzung, wie abhängig der Profisport abseits des Fußballs von einzelnen Mäzenen und Investoren ist und dass es ganz schnell eng wird, wenn die Geldgeber die Lust verlieren. Die HSV-Handballer waren sportlich erfolgreich, deutscher Meister 2011, Champions-League-Sieger 2013, auch die aktuelle Saison lief gut, doch der Klub warf keinen Gewinn ab. Geldgeber Andreas Rudolph hat in den vergangenen elf Jahren bis zu 50 Mil­lio­nen Euro in den Klub gesteckt. Doch er war es am Ende leid, die Handballer zu retten. Er drehte den Geldhahn zu. 4 Millionen Euro Schulden und ein Loch von 2 Millionen im laufenden Etat bedeuteten das Aus.

Die Bundesliga-Volleyballerinnen fanden keinen Nach­folger für Hauptsponsor und Namensgeber Aurubis. Der Spielbetrieb in der ersten Liga war nicht zu finanzieren. Zur neuen Saison startet das Team in der zweiten Liga, Präsident Volker Stuhrmann steuert selbst 50.000 Euro bei. Die Anschutz-Gruppe hatte sich 14 Jahre lang bei den Freezers in Hamburg engagiert, versuchte nach eigenen Angaben aber schon seit 2011, einen neuen Eigentümer zu finden. Ohne Erfolg.

Nach dem Ausstieg des US-Konzerns ist der Klub auf der Suche nach einem Geldgeber, der die Lizenzgebühr von 800.000 Euro und den Etat von angeblich rund 7,5 Millionen Euro aufbringt. Stichtag für die Lizenzierung ist der kommende Dienstag. Die Chance, so kurzfristig einen Retter zu finden, taxiert Geschäftsführer Uwe Frommhold auf 1 Prozent. Angesichts dieser Abhängigkeit von einzelnen Sponsoren sehen viele Fans der HSV-Fußballer mit Sorge, dass sich auch ihr Klub immer weiter in die Hände eines Investors begibt, in die Hände des Logistik-Unternehmers Klaus-Michael Kühne.

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