SPD zu "Stuttgart 21": Die schärfste Waffe
Nach dem Polizeieinsatz fordert die Basis der Südwest-SPD einen Untersuchungsausschuss. Die Sozialdemokraten kündigen einen neuen Politikstil an.
STUTTGART taz | Die Basis der Südwest-SPD hat ihrer Parteispitze am Samstag eine Schlappe zugefügt. Auf dem Landesparteitag in Ulm sprach sich die Mehrheit dafür aus, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum massiven Polizeieinsatz im Schlossgarten vor knapp drei Wochen einzusetzen. Dem war ein entsprechender Antrag der Jusos vorausgegangen.
Zwar hatte auch die Partei- und Fraktionsspitze einen Untersuchungsausschuss des Landtags nicht ausgeschlossen, wollte aber zunächst versuchen, die noch offenen Fragen nach dem Strategiewechsel der Polizei und einem möglichen Einfluss der Landesregierung mit parlamentarischen Anfragen zu klären. Dies sei, so die offizielle Begründung, der schnellere Weg. Die Delegierten jedoch votierten mit 132 zu 130 Stimmen für einen Untersuchungsausschuss. "Wir wollten nach außen hin ein Zeichen setzen, dass dieser Polizeieinsatz nicht nur eine Lappalie war", sagte der stellvertretende Landesvorsitzende der Jusos, Dejan Perc, der taz. In so einem Fall müsse das Parlament die "schärfste Waffe" benutzen.
Bislang hatten nur die Grünen einen Untersuchungsausschuss gefordert. Für die Einsetzung aber bräuchten sie eine weitere Fraktion oder ein Viertel der Abgeordneten. Ende Oktober wird im Landtag über den Antrag der Grünen abgestimmt.
Ungeachtet der inhaltlichen Niederlage wurde SPD-Landeschef Nils Schmid mit 92 Prozent der Stimmen zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im kommenden März gewählt. In seiner Rede hatte er zuvor einen klaren Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten erhoben. "Ich werde als Ministerpräsident nicht nur mehr Demokratie wagen, sondern wir werden mehr Demokratie machen", sagte er. Immer wieder begann er Sätze mit dieser Formel. In aktuellen Umfragen liegt die SPD allerdings klar hinter den Grünen.
Zur Diskussion einer möglichen SPD-Juniorpartnerschaft sagte Schmid in Richtung Grüne: "Wer dieses Land führen will, der muss mehr bieten, als nur einen Protest anzuführen." Zwar nahm auch bei Schmids Rede der Streit über das Bahnprojekt "Stuttgart 21" den größten Teil ein, doch in der zweiten Hälfte reihte er ein ganzes Bündel weiterer Themen - von Bildung über Integrationspolitik bis hin zu Energiefragen - aneinander, was bei den Genossen gut ankam. Viele ließen durchblicken, dass sie sich einen breiteren Wahlkampf wünschten als nur eine Auseinandersetzung um den Tiefbahnhof.
Insgesamt versuchte sich Schmid in einer sachlichen Rede von Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) abzugrenzen. "Vertrauen" und "neuer Politikstil" waren die Vokabeln, mit denen er einen Akzent setzen wollte. Mappus hingegen attestierte er eine "durchgehende Politik der Bürgerferne".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana