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■ SPD will vom Labour-Chef Tony Blair das Siegen lernenPawlowsche Hunde

Der deutschen Politik verdanken wir drei neue Lehrsätze: Deutschland ist nicht Großbritannien. Die SPD ist nicht Labour. Gerhard Schröder ist nicht Tony Blair. Sage keiner, das sei banal. Das muß man erst einmal so auf den Punkt bringen.

Der deutschen Politik verdanken wir aber auch drei Überraschungen: CDU-Generalsekretär Peter Hintze findet, Tony Blair mache reine CDU-Politik. Michael Glos (CSU) sagt, dessen Sieg sei ein Fanal für Strukturkonservierer wie die SPD. Und Jürgen Trittin (Grüne) sieht mit Blair gleich das neoliberale Zeitalter zu Ende gehen.

Dazwischen, wie so oft, die SPD. Gerhard Schröder meint: Von Tony Blair lernen, heißt siegen lernen. Oskar Lafontaine möchte mehr über Programme reden und verkündet folgerichtig, daß Henning Voscherau der Tony Blair von Hamburg ist. Und Franz Müntefering läßt Plakate mit der Aufschrift kleben „In 73 Wochen machen wir es genauso“. Was, bitte schön, macht die SPD genauso? Gewinnen vielleicht? Wie denn, wenn man fragen darf.

Die meisten deutschen Politiker sind doch so brav, daß sie über jeden Stock springen, den man ihnen hinhält. Viel lieber noch springen sie aber über den, den man nicht hinhält. Es sind genau diese Pawlowschen Reflexe, die einen von vornherein daran zweifeln lassen, daß hierzulande irgend jemand etwas von Tony Blair lernen möchte. Stellen Sie mir irgendeine Frage, lautet das Motto, meine Antwort ist dieselbe wie beim letzten Mal. Steuerkonzept der FDP, Herzog-Rede, Wirtschaftsaufschwung in Neuseeland? Im Grunde genommen alles reine CDU-Politik. Bei Gerhard Schröder steht sogar zu befürchten, daß er seinen Spruch „Von Blair lernen, heißt siegen lernen“ auch bei einem Sieg von John Major aufgesagt hätte.

Tony Blairs Erfolg dient lediglich als neuer Ansetzungstermin für den Spielplan des deutschen Politiktheaters. So ist denn auch das jetzige Programmdiskussiönchen in der SPD nichts anderes als die aufgewärmte Debatte über den Kanzlerkandidaten der Partei. Und Gerhard Schröder wieder vorneweg, diesmal mit der nach der Wahl in England geradezu zwingend gewordenen These, daß die SPD ihr Verhältnis zur modernen Technik neu definieren müsse. Es ist nicht so, daß die SPD von Blair nichts zu lernen hätte. Da gibt es einiges. Vielleicht aber fangen die Sozialdemokraten nicht gleich bei der schwierigsten Frage an, wie man gewinnt, sondern bei der, wie man überraschende und unverbrauchte Politik macht. Das wär schon mal was. Jens König

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