SPD will auch Berlin Arbeit machen: Brüder, zur Sonne, zur Freiheit
Die Sozialdemokraten wollen auch Berlin demnächst von der Geißel der Arbeitslosigkeit befreien - die Grünen finden das dagegen ziemlich illusorisch.
Ist Vollbeschäftigung in Berlin innerhalb der nächsten zehn Jahre möglich? SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier hatte das Ende der Arbeitslosigkeit in seinem am Montag vorgestellten Programm mit dem Titel "Die Arbeit von morgen" als Ziel für ganz Deutschland vorgegeben. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (ebenfalls SPD) findet das prima: "Gerade für eine Stadt wie Berlin enthält der Deutschland-Plan viele richtige Ansätze." Wowereit verweist insbesondere auf die in dem Programm genannten Schwerpunkte: "Förderung des Gesundheitssektors, Arbeitsplätze in der Pflege und neue Jobs im Bereich der Energie- und Umwelttechnologien - dies sind auch die Schwerpunkte für Berlin."
Auch der SPD-Abgeordnete Raed Saleh, Mitglied im Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales, will die Arbeitslosigkeit radikal bekämpfen: "Es muss das Ziel sein, Vollbeschäftigung anzustreben." Das Problem dabei seien die schwächelnden Branchen. Saleh: "Berlin ist nicht mehr der Industriestandort, wie das einmal war. Es geht darum, die Industriearbeitsplätze durch andere zu ersetzen, und da haben wir in Berlin bereits eine Menge erreicht." In Berlin waren zuletzt nur noch knapp 100.000 Menschen in der Industrie beschäftigt, also etwa jeder zwölfte Arbeitnehmer.
Für Ramona Pop, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, sind die Vollbeschäftigungsversprechen "Luftnummern": "Das hat auch schon Wolfgang Clement versprochen, und auch Gerhard Schröder war nicht sehr erfolgreich." Es sei zwar richtig, Umwelttechnologien zu fördern. "Aber ob man wirklich vier Millionen neue Jobs schaffen und absolute Vollbeschäftigung erreichen kann, bezweifle ich." Die Grünen versprechen daher in ihrem Wahlprogramm lediglich eine Million neuer Jobs innerhalb der nächsten vier Jahre.
Der Senat fördert gezielt Branchen, die besonders innovativ sind und die seiner Ansicht nach ein besonders starkes Potenzial haben. Dazu zählen etwa die Biotechnologie und die Medizintechnik. Ein übergreifender "Masterplan" widmet sich der "Gesundheitswirtschaft" - von der Ausbildung über Studium, Krankenhäuser und Spitzenforschung bis hin zur Altenpflege. Auch Steinmeier sieht darin einen seiner Schwerpunkte: "Die Gesundheitswirtschaft mit etwa einer Million zusätzlichen Jobs sowie die sogenannten Kreativbranchen mit weiteren 500.000 neuen Arbeitsplätzen sind dabei die wesentlichen Beschäftigungsfelder bei den Dienstleistungen", heißt es in dem Programm.
Saleh findet den Weg gut: "Es ist nicht verkehrt, Schwerpunkte zu setzen." Neben der Gesundheitswirtschaft sind auch Medien und Tourismus solche Felder. Die öffentlichen Gelder für private Unternehmen gibt es also nicht mehr mit der Gießkanne über alle Bereiche - stattdessen sollen Branchen gefördert werden, die bereits eine Basis in Berlin haben. So können die Unternehmen sich untereinander sowie mit den Berliner Hochschulen vernetzen - ein Knäuel entsteht, "Cluster" genannt. Für die Grünen-Abgeordnete Pop sind die Erfolge bei der Gesundheitswirtschaft "zwar erkennbar, aber doch recht bescheiden".
Nach Ansicht von Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) wird es in der Krise schwieriger, neue Unternehmen nach Berlin zu holen. "Wir müssen vor allem die vorhandenen Potenziale nutzen", sagt er im taz-Interview (Seite 23). Zu diesen Potenzialen gehört etwa die Energietechnik, und zwar sowohl bei den erneuerbaren Energien als auch bei den konventionellen Technologien. Wolf: "Gasturbinen von Siemens zum Beispiel sind ein Hightechprodukt, das schafft auch viele Arbeitsplätze."
Kurzfristig geht Wolf dagegen zunächst von mehr Arbeitslosen aus: "Ich befürchte, dass wir nächstes Jahr bundesweit wieder an die 5 Millionen Arbeitslose kommen." Was das für Berlin heißt, könne er nicht sagen. "Die Zunahme wird aber in jedem Fall signifikant sein."
RAMONA POP, GRÜNE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!