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SPD verliert eine Abgeordnete

■ Verfassungsdebatte als Bremerhaven-Problem / Austritt bei der SPD

„Der große Wurf ist es nicht“, sagte gestern der SPD-Abgeordnete und designierte Finanzsenator Manfred Fluß, aber ein „erster Schritt“. Mehrfach hätten Ausschüsse über die Reform der Landesverfassung beraten, bisher seien alle Versuche aber im Vorfeld gescheitert. Denn die bremische Landesverfassung fordert Einstimmigkeit, wenn die Parlamentarier die Landesverfassung ändern wollen. Fluß appellierte an die Abgeordneten, diesmal geschlossen abzustimmen - zurückhaltend genug seien die Änderungen, auf die man sich verständigt habe.

Aber nichts ist schwieriger als das, dies zeigte sich gerade in dieser Verfassungsdebatte. Am Ende stand eine vollig zestrittene SPD, deren Bremerhavener Abgeordnete Karin Tutzek sogar aus der Partei austrat. Bei den Grünen stimmte Walter Ruffler mit den Rechten und kündigte an, er werde bei einem Volksentscheid über die Verfassungsänderung dazu aufrufen, mit „Nein“ zu stimmen.

Dabei sollte an der Verfassung im wesentlichen nur diese Einstimmigskeits-Klausel geändert werden. Der Widerstand dagegen zeigte exemplarisch, warum Verfassungsänderungen in Bremen bisher so schwer waren. Lange hatte der Parlamentsausschuß über die Formulierung neuer Staatsziele beraten - ohne Ergebnis. Die FDP hatte versucht, die „Wirtschaftskammer“ aus der Landesverfassung zu streichen - und war am Widerstand der SPD gescheitert. Substantielle Änderungen, die der Grüne Mützelburg gestern noch einmal ansprach, wurden schnell auf später vertagt, weil in keiner Fraktion darüber ein Konsens erzielt werden kann: ob nämlich die Zahl der Abgeordneten reduziert werden sollte und wie die staatlichen Kompetenzen dezentralisiert werden könnten,

So blieb die Frage, die Hürde für Verfassungsänderungen auf eine 2/3-Mehrheit zu senken. Dagegen sprachen sich vehement und mit viel Volks-Rhetorik die beiden rechten Gruppen in der Bürgerschaft aus, die damit die Chance, mit ihren Stimmen Veränderungen blockieren zu können, verlieren würden. Dagegen war auch Walter Ruffler von den Grünen.

Einen erheblichen Teil der Debatte aber bestrittenen die Bremerhavener, die quer durch alle Ampel-Parteien dagegen sind: Wenn nur 25 Abgeordnete eine Verfassungsreform verhindern können, dann wären dabei die 20 Bremerhavener Abgeordneten überstimmbar. Sie hatten sich mit Mühe davon überzeugen lassen, daß es ein „Bremerhavener Vetorecht“ in einer Landesverfassung nicht geben könne. Kompromiß sollte sein, daß alle Verfassungsänderungen, die den Status von Bremerhaven tangieren, nur einstimmig beschlossen werden dürfen. Dieser Kompromiß war von der CDU formuliert worden und wurde von den Ampel-Fraktionen mitgemacht - nur die Bremerhavener Abgeoreneten von SPD und Grünen enthielten sich dann dennoch der Stimme.

Wenn es über diese Verfassungsreform im Parlament keine Einstimmigkeit gibg, bleibt nur der Weg über einen Volksentscheid - am 16. Oktber soll der, parakllel zur Bundestagswahl, stattfinden. K.W.

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