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SPD und Pharmaindustrie angenähert

■ Scharfe Kritik der SPD an Festpreisregelung wird von Pharmakonzernen wohlwollend aufgenommen / Eckdaten eines solzialdemokratischen Konzepts zur Strukturreform im Gesundheitswesen vorgestellt

Aus Bonn Oliver Tolmein

Zwischen SPD und den Branchenriesen im Arzneimittelgeschäft ist eine Annäherung zu beobachten. In den gestern öffentlich vorgestellten „Eckdaten eines sozialdemokratischen Konzepts zur Strukturreform im Gesundheitswesen“ wird der von Bundesarbeitsminister Blüm gemachte und von der Industrie scharf kritisierte Vorschlag einer Festpreisregelung für Medikamente abgelehnt. Statt dessen setzt die SPD auf eine sogenannte Positivliste verordnungsfähiger Arzneimittel, deren Preise auf dem Verhandlungsweg zwischen Kassen und Herstellerfirmen festgelegt werden sollen. Der stellvertretende SPD– Fraktionsvorsitzende Dressler, der dieses Modell gestern mit dem nordrhein–westfälischen Gesundheitsminister Heinemann vorstellte, begründete diesen Vorschlag in einem fraktionsinternen Papier, das in dieser Passage fast wortgleich mit entsprechenden Äußerungen des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie ist, damit, daß ein Festpreissystem „denjenigen Teil der Industrie benachteiligt, der neben Altbewährtem auch Innovationen auf den Markt bringt“. Deswegen müsse dem entgegengewirkt werden, „daß ausgerechnet die zukunftsträchtigen und technologisch wie industriepolitisch wichtigen Aufgaben“ der „forschenden Unternehmen“ durch das Blüm–Gesetz beeinträchtigt würden. Im Vorwärts spricht sich der Geschäftsführer des Pharma– Multis ICI, Jansche, denn auch für die SPD–Vorschläge als das „kleinere Übel“ für die Industrie aus, weil das Blümsche Festpreismodell die „langfristig kalkulierbaren Rahmenbedingungen“ für die Pharmaindustrie zerstöre. Jansche führt in dem Gespräch auch aus, daß Preisverhandlungen zwischen Kassen und Arzneimittelanbietern denkbar seien, „wenn es auf Seiten der Kassen einen echten Wettbewerb gäbe“. Diesen „echten Wettbewerb“ herbeizuführen ist ein zweites Anliegen der neuen SPD–Eckdaten. Alle Arbeiter und Angestellten, nicht aber die Selbstständigen, sollen demnach pflichtversichert sein, sich allerdings die Kasse, der sie beitreten wollen, frei wählen können. Zur Beseitigung regionaler Ungleichheiten soll es einen „kassenartinternen“ bundesweiten Finanzausgleich geben - um den Wettbewerb zu erhalten, ist aber nicht an einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Kassenarten gedacht. Wie der Wettbewerb genau aussehen solle, blieb unklar, da Selbstbeteiligungsregelungen, Beitragsrückgewähr, Wahltarife oder ein unterschiedlicher Leistungskatalog nicht möglich sein sollen: „Es wird vor allem um die Serviceleistungen gehen“ meinte Dressler. Eine alte Idee der Grünen aufgreifend, schlägt die SPD jetzt vor, „regionale Gesundheitskonferenzen“ zu schaffen, die für die Gesundheitsplanung verantwortlich und ähnlich der Konzertierten Aktion drittelparitätisch (Krankenkassen, Leistungserbringer, Gebietskörperschaften) zusammengesetzt sein sollen.

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