SPD und Hartz IV: Die neue Agenda 2010
SPD Genau sieben Jahre nach Verkündung der Schröderschen Reformen stellen die Sozialdemokraten ihr neues Hartz-IV-Konzept vor. Gelingt so die Wende bei den Wahlen?
Den persönlichen Auftritt wird sich der Chef nicht nehmen lassen. Denn wenn an diesem Montag die SPD in Berlin ihr Konzept zur Überarbeitung von Hartz IV vorstellt, geht es für die Sozialdemokraten darum, einen Strich unter das schmerzhafteste Thema des vergangenen Jahrzehnts zu ziehen. Es geht um die Identität der Partei. Da darf Sigmar Gabriel nicht fehlen.
Seit Wochen brütet ein kleiner Kreis der Parteispitze über den Korrekturvorschlägen an den eigenen Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Regierungsjahre. Herausgekommen ist ein Papier von wenigen Seiten, gehütet wie ein Staatsgeheimnis, immer wieder abgestimmt und abgeglichen. Es ist ein Spagat für die SPD - zwischen eigener Regierungszeit und neuem sozialen Profil.
"Seit 1998 hat die SPD 400.000 Mitglieder verloren, 6 Ministerpräsidenten, tausende von Mandaten und 11 Millionen Wähler", hat der Parteilinke Rudolf Dreßler immer wieder gemahnt. Und dennoch: Ganz von den eigenen Reformen will sich die SPD auch nicht verabschieden. Das gilt als ein Zugeständnis an Frank-Walter Steinmeier, den Architekten der Agenda 2010 - und aktuellen Fraktionschef.
Deutlich erhöhen sollen sich nach den Vorstellungen der Parteispitze die Regelsätze für Kinder bei Hartz IV. Zahlen will die Partei aber offenbar nicht nennen. Wahrscheinlich ist aber eine Bemessung nach Bedarfskriterien - Kinder aus armen Familien sollen bessergestellt werden. Bestätigt wurde dies am Tag vor der Verkündung durch die Parteivizechefin Hannelore Kraft. "Die Regelsätze werden steigen müssen", sagte Kraft in einem Interview auf Spiegel Online. Von einer Kompensation durch Gutscheine - wie es die Union vorschlägt - hält Kraft nichts. Sie sei demgegenüber "sehr skeptisch", sagte die Spitzenkandidatin für die Landtagswahl am 9. Mai in Nordrhein-Westfalen, "es darf nicht zu Stigmatisierung kommen".
Kraft hatte am vergangenen Montag bereits gefordert, Langzeitarbeitslose stärker in gemeinnützige Arbeit einzubinden, wofür sie zum Teil heftig kritisiert worden war. Die Parteispitze hatte sich in der Folge hinter ihre Vorschläge gestellt. Krafts Ideen zu einer Ausweitung des sozialen Arbeitsmarktes werden nun auch in dem aktuellen Konzept berücksichtigt werden.
Auch längere Laufzeiten fürs Arbeitslosengeld werden sich als Forderung im Konzept wiederfinden. Bei dem sensiblen Thema könnte die SPD am Montag wohl vor allem eines verkünden: ein grundsätzliches Plädoyer dafür, dass die Bezugsdauer stärker daran gekoppelt wird, wie lange BeitragszahlerInnen in die Sozialkassen eingezahlt haben.
Auch einen Vorschlag der Hessen-SPD dürfte das Papier beinhalten: So soll sich die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I auf 24 Monate verdoppeln, wenn den Arbeitnehmern Qualifizierungsmaßnahmen angeboten werden und diese sie auch wahrnehmen können. Dies wurde am Wochenende auch von Steinmeier bestätigt. Weitere strittige Themen wie der Umgang mit der Rente mit 67 wurden vertagt.
So bleibt der Montag ein Anfang. Ein wenig Abkehr, ein bisschen Neues, ein paar Korrekturen, kaum konkrete Zahlen. Die Arbeit für die SPD kommt danach: die Basis und die Wähler zurückzugewinnen. Dieser Weg endet mit Gabriels Präsentation nicht, er beginnt erst.
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