: SPD streitet um Ende des Asylrechts
Lafontaine bedenkt Abschaffung des Artikels 16 Grundgesetz und Ersatz durch Flüchtlingskonvention/ SPD-Fraktionschef Klose strikt dagegen/ UNO-Flüchtlingskommissar begrüßt den Vorschlag der CDU ■ Aus Bonn Tissy Bruns
Als „verfassungsfeindliche Umtriebe“ bezeichnete der Sprecher von Pro Asyl, Herbert Leuninger, gestern die neuesten Vorschläge der CDU zum Asylrecht. Kritik und Bedenken meldete auch der Koalitionspartner FDP an. Politiker der SPD, beim Thema Asyl nicht anders zu erwarten, kritisierten die Vorschläge uneindeutig.
Die CDU wird, wie Generalsekretär Peter Hintze am Dienstag angekündigt hatte, nunmehr ganz von Artikel 16 des Grundgesetzes abrücken. Ein Antrag zum CDU-Parteitag Ende Oktober sieht vor, die Verfassungsformel „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“ aufzugeben. Hintze unmißverständlich: „Wir schlagen vor, daß künftig die Genfer Flüchtlingskonvention Grundlage für die Gewährung von Asyl in der Bundesrepublik sein soll und daß dies in der Verfassung anstelle des bisherigen Artikels 16 Absatz 2, Satz 2 verankert wird.“ Über eine große Zahl von Flüchtlingen soll dann in einem „vereinfachten, kursorischen Kurzverfahren“ entschieden werden können.
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine, der schon lange für eine Grundrechtsänderung eintritt, konnte eine gewisse Sympathie zu dem Vorschlag nicht verhehlen. Im Deutschlandfunk sagte Lafontaine: „Für die Genfer Flüchtlingskonvention votiert man, wenn man eine europäische Lösung will. Das Recht eines jeden Bürgers der Erde, bei uns ins Verfahren zu kommen, können wir praktisch nicht mehr garantieren. Da muß man sich zu der Erkenntnis durchringen im Kern, daß es eben Länder gibt, wo man sagen muß, hier ist keine politische Verfolgung mehr; hier greift auch nicht mehr der Anspruch eines einzelnen auf individuelle Prüfung.“ Die stellvertretende Parteivorsitzende Herta Däubler-Gmelin wies die CDU-Vorschläge zurück. Der ehemalige SPD-Vorsitzende Hans- Jochen Vogel wandte sich nach einem Besuch der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in Eisenhüttenstadt scharf gegen die Absichten der CDU. In einem taz-Interview meinte SPD-Fraktionschef Hans-Ulrich Klose, die SPD werde das nicht mitmachen (Wortlaut siehe Seite 9).
Die FDP schickte ihren standhaftesten Verteidiger des Grundrechts auf Asyl vor. Burkkhard Hirsch wies die Union darauf hin, daß das Grundgesetz kein „Abreißkalender“ sei, und erinnerte seine Koalitionspartner an frühere Versprechen: „Bisher hat die CDU/CSU jeden Verdacht empört zurückgewiesen, sie wolle das Asylrecht abschaffen. Bundeskanzler Helmut Kohl hat es heilig genannt.“ Hirsch vermißt eine klare Aussage darüber, ob die Union „jedem Flüchtling auch künftig das Recht geben will, individuell angehört zu werden oder ob er die Möglichkeit behalten soll, eine Kontrollinstanz anzurufen, bevor er abgeschoben wird“.
Die Bonner Vertretung des UN- Flüchtlingskommissars (UNHCR) begrüßte den Vorschlag, die Genfer Flüchtlingskonvention als Grundlage der Asylverfahren „wiedereinzuführen“. Hans ten Feld, stellvertretender Leiter des Bonner Büros, wies jedoch darauf hin, daß die Konvention sich nicht eigne, „den Zugang zum Asylverfahren zu versperren“. Der UNHCR hat auch bei früheren Gelegenheiten die enge Auslegung des Flüchtlingsbegriffs in der Bundesrepublik moniert.
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