: SPD rechtfertigt „Streitpapier“ mit der SED
■ SPD-Ossis verteidigen die umstrittene Kooperation zwischen der SPD und der SED im Jahre 1987/ Positionspapier als Hilfe für DDR-Opposition bezeichnet/ Kritik an vertraulichen Gesprächen von Sozialdemokraten mit SED-Größen
Bonn (dpa/taz) — Als damals wie heute richtig hat die SPD ihr vor fünf Jahren veröffentlichtes gemeinsames „Streitpapier“ mit der SED verteidigt. Die Sozialdemokraten hätten keinen Grund, sich deswegen zu schämen, erklärte der Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission, der stellvertretende Partei- und Fraktionsvorsitzende Wolfgang Thierse, gestern in Bonn. Er habe selbst die Wirkung des Positionspapiers in der DDR erlebt, sagte der aus Ost-Berlin stammende Politiker. Es habe die SED zu „spektakulären ideologischen Zugeständnissen“ gezwungen und damit zur Erosion und schließlich zum Zusammenbruch des DDR- Systems beigetragen. Im Rückblick sei es einfach zu sagen, die Sozialdemokraten hätten sich in ihrer Einschätzung geirrt.
Nach Ansicht des ehemaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden in der freigewählten DDR-Volkskammer, Richard Schröder, war das Papier eine große Hilfe für die Opposition in der DDR. Die SED habe die innenpolitische Wirkung gefürchtet wie „der Teufel das Weihwasser“. Nach den Worten von Erhard Eppler, der dem SPD-Grundwertegremium während der dreijährigen Gespräche mit der SED vorsaß, hat die Kommission auch heute allen Grund dazu, zu dem Papier zu stehen.
Nach dem Eindruck des früheren Mitglieds der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED, Rolf Reissig, hat das Papier in der SED-Basis „wie eine Lawine gewirkt“. Es sei ein klarer Bruch mit der Realität der DDR und der SED- Politik gewesen, sagte Reissig, der zusammen mit dem SPD-Theoretiker Thomas Meyer den Entwurf ausarbeitete, im Deutschlandfunk. Der Gedanke des Papiers, die Opposition in der DDR in einen Dialog einzubeziehen, sei schließlich von der SED- Führung verboten worden.
Vorsichtige Kritik äußerten Thierse und Schröder an den teilweise vertraulichen Gesprächen von führenden SPD-Politikern mit DDR- Oberen bei Besuchen in Ost-Berlin. Jetzt veröffentlichte Stasi-Aufzeichnungen dürften zwar nicht überbewertet werden und müßten auch vor dem Hintergrund der damaligen Situation gesehen werden, meinte Schröder. Doch manche dort wiedergegebene Äußerung habe den „Charakter des häßlichen Restes“ und wäre besser nicht gefallen. Thierse meinte, einige SPD-Politiker hätten damals offenbar zu wenig begriffen, daß die Auflösungserscheinungen des DDR-Systems das Ergebnis der SPD-Entspannungspolitik gewesen seien.
In dem 1987 veröffentlichten Positionspapier mit dem Titel „Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“ hatten SPD und SED erkärt, der friedliche Wettbewerb der Gesellschaftssysteme sei die einzig mögliche Form der Auseinandersetzung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen