SPD präsentiert Wahlprogramm: Robin Hood der Parteien
Die SPD hat sich in ihrem Wahlprogramm "mehr Fairness" verordnet. Mit Freibeträgen für Familien und einer "Reichensteuer" will Kanzlerkandidat Steinmeier Wähler ködern.
Die Sozialdemokraten ziehen mit dem Versprechen in den Wahlkampf, Geringverdiener und Familien mit Kindern finanziell zu entlasten. Vermögende hingegen sollen mehr Steuern zahlen. Die SPD-Linke konnte sich mit ihrer Forderung, die Einführung einer Vermögensteuer im Wahlprogramm festzuschreiben, nicht durchsetzen. Trotzdem stimmte der Parteivorstand am vergangenen Samstag einstimmig für den Entwurf. Am Sonntag stellte SPD-Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier ihn in Berlin vor.
Bei der Veranstaltung unter dem Wahlkampf-Motto "Anpacken. Für unser Land" fasste der Kanzlerkandidat das Programm in die Formel: "mehr Fairness im Umgang der gesellschaftlichen Gruppen miteinander". Im Zentrum stehe eine "ursozialdemokratische Aufgabe", sagte Steinmeier. Die Wirtschaft müsse wieder "ein verantwortlicher Teil der Gesellschaft" werden.
In der Wirtschafts- und Finanzkrise werde offenbar, sagte Steinmeier, was CDU und SPD grundsätzlich unterscheide: Die Union halte die Krise bloß für einen "Betriebsunfall", nach dem alles wieder so werden müsse wie zuvor. "Wir brauchen aber einen Fortschritt, der uns nicht in Gewinner und Verlierer zerreißt", sagte Steinmeier vor rund 2.500 Zuschauern. "Deshalb will ich Kanzler werden."
Parteichef Franz Müntefering verteidigte das SPD-Konzept gegen Kritik aus den Unionsparteien, es sei zu links: "Wenn man rechts im Straßengraben gelandet ist wie die Union, dann ist man selbst in der Straßenmitte natürlich relativ links."
Die stellvertretende Parteivorsitzende Andrea Nahles, selbst eine Parteilinke, nannte die Pläne einer stärkeren Belastung Vermögender "gerecht". Ob dies durch eine Vermögensteuer oder über andere Wege geschehe, sei egal. Mit der Forderung nach einer Vermögensteuer waren Parteilinke zuvor gescheitert. Die SPD fordert nun eine "Reichensteuer" und einen Steuerbonus in Höhe von 300 Euro für Beschäftigte ohne Nebeneinkünfte, die freiwillig auf eine Steuererklärung verzichten.
Im Wahlprogramm festgehalten ist auch eine Absage an eine Koalition mit der Linkspartei im Bund "für die gesamte nächste Legislaturperiode". Die SPD werde ebenso wenig eine Minderheitsregierung bilden, die von der Linkspartei geduldet würde. Eine Koalition mit Grünen und FDP halten die Sozialdemokraten hingegen für "geeignet, die anstehenden Aufgaben erfolgreich anzupacken". Eine weitere Koalition mit der CDU strebe die Partei zwar nicht an, werde sie aber eingehen, wenn "unserem Land die Regierungsunfähigkeit droht".
Die politische Konkurrenz kritisierte die SPD-Pläne je nach Couleur als zu links oder nicht links genug. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) urteilte, das Signal der SPD an die Leistungsträger sei: "Ihr seid in Deutschland nicht erwünscht." Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine kritisierte das Programm als "unglaubwürdig". So hätte die SPD mit der Linken flächendeckende Mindestlöhne längst beschließen können. Der grüne Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Jürgen Trittin, urteilte, manches im SPD-Programm sei "von den Grünen abgeschrieben - aber mutlos und widersprüchlich". Wenn die SPD es ernst meine, müsse sie "eine Fortsetzung der großen Koalition kategorisch ausschließen".
Auf Grundlage des SPD-Programms sieht der Partei- und Fraktionschef der FDP, Guido Westerwelle, keine Möglichkeiten für eine Ampelkoalition: "Diese Steuererhöhungspolitik mag Herr Steinmeier mit Herrn Lafontaine und Herrn Trittin umsetzen. Mit mir jedenfalls nicht."
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