SPD nach der Wahl in Hamburg: Die Suche nach der Mitte
Linksbündnisse sind für die SPD vorerst Vergangenheit. Das ist eine Konsequenz nach dem Sieg in Hamburg. Eine andere: Die Chance von ökonomischen Themen für die Partei.
BERLIN taz | "Mitte". Da ist es wieder, dieses verflixte Wort. Eigentlich hatten sie es in der SPD ja abgehakt oder zumindest umdefiniert. Sigmar Gabriel hat zu Anfang seiner Zeit sinngemäß gesagt, wo die SPD ist, da sei auch die Mitte. Mit diesen Worten des Parteichefs konnten sich die Genossinnen und Genossen abfinden. Aber mit Schröders "Neuer Mitte" wollte trotzdem niemand etwas zu tun haben.
Diese Zeiten sind seit Sonntag vorbei. Seit Olaf Scholz in Hamburg gewonnen hat - mit dem wirtschaftsfreundlichsten Wahlkampf, den die SPD seit Jahren geführt hat.
"Wir haben bisher noch nie anders Wahlen gewonnen als in der Mitte", sagte der Sprecher des Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, der taz. "Wirtschaft muss für alle in der SPD ein Thema werden", ergänzte der wirtschaftspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Garrelt Duin: "Wirtschaft beeinflusst bei vielen Menschen die Wahlentscheidung. Das war auch 1998 bei Gerhard Schröder schon so." Duin hatte im vergangenen Jahr in einem umstrittenen Papier den wirtschaftspolitischen Kurs seiner Partei kritisiert - jetzt fühlt er sich im Aufwind. Genau wie der gesamte konservative Flügel. "Wir werden in Zukunft wieder viel mehr über Dinge wie Investitionsklima oder Technikfreundlichkeit reden", glaubt Duin.
Seitdem sich der Durchmarsch von Olaf Scholz in Hamburg angekündigt hat, denken aber auch führende Sozialdemokraten in den Bundesländern darüber nach, was der Erfolg für den künftigen Kurs der Partei zu bedeuten hat. Denn mindestens sechs weitere Parlamente von Sachsen-Anhalt bis Mecklenburg-Vorpommern und Berlin werden in diesem Jahr neu gewählt. Mit besonderem Interesse hat auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die Ereignisse von Hamburg verfolgt. Momentan führt sie eine rot-grüne Minderheitsregierung in Düsseldorf, auch bei ihr könnten wie in Hamburg bald vorgezogene Neuwahlen anstehen.
Doch Kraft ist skeptisch, was die Schlussfolgerungen für einen eigenen Wahlkampf angeht. Denn der Hamburger Olaf Scholz, so die Analyse in Nordrhein-Westfalen, konnte nur aus einer Position der Stärke heraus einen derart wirtschaftsfreundlichen Wahlkampf führen, wie er es getan hat. Denn schon Wochen vor dem eigentlichen Wahltag stand sein Sieg so gut wie fest. Und so zielte Scholz mit seiner Betonung der wirtschaftlichen Themen auch bewusst auf die Wählerschaft der CDU - und damit auf die absolute Mehrheit.
Dennoch hat auch Kraft die Chancen von ökonomischen Themen entdeckt: "Wir wollen in NRW unsere Wirtschaft stärken und zugleich wirksamen Klima- und Umweltschutz sicherstellen", sagte sie der taz. "Viele Unternehmen haben längst erkannt, welche Marktchancen darin liegen, beides zusammenzuführen."
Einen Flügelkampf hat die SPD wohl dennoch nicht zu befürchten. Denn selbst in der Parteilinken wird mittlerweile mehr Unternehmensfreundlichkeit angemahnt. "Dass die SPD auf ihre Wirtschaftskompetenz setzt, halte ich für unabdingbar", sagte Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach der taz, "die Erfahrungen aus dem Hamburger Wahlkampf werden wir aufgreifen". Und der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Ralf Stegner sagte: "Der Pragmatismus grenzt uns von Parteien wie den Grünen und der Linken ab."
Zugleich warnte Stegner aber auch vor einem zu wirtschaftsfreundlichen Kurs: "Wir sollten eine starke Wirtschaft nicht als Widerspruch zur sozialen Sicherheit sehen."
Ähnlich versucht auch Parteichef Sigmar Gabriel die Diskussionen um einen möglichen Kurswechsel zu beenden, bevor sie richtig losgehen. Seine Strategie: alle Positionen zusammenbinden.
So trat Gabriel dann auch am Montag im Willy-Brandt-Haus auf. "Wirtschaftliche Kraft gehört zusammen mit sozialem Ausgleich", sagte er. Es ist die Formel, mit der der Parteichef auch am Sonntag schon vor die Presse getreten ist. Sie bietet zwar keine sonderlich starke Aussage, das ist für Gabriel aber gar nicht schlecht: So kann der ideologiefreie Parteichef noch ein wenig überlegen, ob er nun das Thema Wirtschaft in Zukunft stärker betonen möchte oder nicht.
Er habe ja, fuhr Gabriel fort, schon vor einiger Zeit bei einer Pressekonferenz in der SPD-Parteizentrale gesagt, wie er denkt: "Wir müssen Sozialdemokratie und Liberalismus zusammenbringen." Das sei in Hamburg gelungen.
"Und es macht auch Sinn, das im Bund genauso zu tun."
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