piwik no script img

SPD nach SarrazinNur die Sozen brauchen Quoten

Die SPD will mit einer Migrationshintergrund-Quote ihr lädiertes Image aufpolieren. Doch die Maßnahme ist umstritten, andere Parteien lehnen sie ab.

Die neue Integrationsministerin in Baden-Württemberg: Bilkay Öney. Bild: imago

BERLIN taz | Fortschritt oder Ausdruck ihres desolaten Zustands? Die SPD will mit der Einführung einer Quote für Bürger mit Migrationshintergrund in den Führungsetagen ihr lädiertes Image aufpolieren. 15 Prozent der Posten in den Parteispitzengremien sollen künftig von Migranten besetzt werden, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am Montag im Anschluss an ein Gespräch mit dem Parteipräsidium.

Was die Sozialdemokraten als großen Vorstoß in Sachen parteiinterner Migrationspolitik feiern, stößt bei anderen Parteien jedoch auf Ablehnung. Aus unterschiedlichen Gründen.

"Wenn in einer Partei Migranten besonders benachteiligt sind, kann eine Quote sinnvoll sein", sagte zwar der migrationspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Memet Kiliç. Für SPD und CDU würde sich diese Frage durchaus stellen. Bei den Grünen hätte eine solche Quote jedoch nur wenig Auswirkungen, ist sich Kiliç sicher. Der Migrantenanteil in den Führungsgremien sei auch ohne Quote hoch. Cem Özdemir, der Parteivorsitzende, sei das prominenteste Beispiel. Aber auch mindestens 6 der insgesamt 68 Grünen-Abgeordneten im Bundestag hätten einen Migrationshintergrund. So genau wisse er das gar nicht, sagt Kiliç, denn: "Bei den Grünen wird die Herkunft nicht extra erfragt."

Die FDP kann sich sehen lassen

Auch die FDP kann sich sehen lassen. Mit Gesundheitsminister Philipp Rösler wird bei den Liberalen künftig ebenfalls ein Migrant an der Spitze der Partei stehen. Auch hier heißt es aus Parteikreisen, eine Quote auf den Führungsebenen sei nicht notwendig. Unter Liberalen zähle ohnehin nur die Leistung. Da hätten Parteimitglieder mit Migrationshintergrund die gleichen Chancen wie ohne, heißt es.

Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Linkspartei, lehnt eine Migrantenquote gar grundsätzlich ab. Sie würde die Probleme von Migranten nicht lösen. Dagdelen hält es für wesentlich wichtiger, Politik im Sinne von Migranten zu betreiben. Dann würden sie schon von selbst in die Parteien strömen.

Das SPD-Präsidium reagierte mit der Ankündigung, eine Migrantenquote für ihre Spitzengremien einzuführen, auf die heftige Kritik im Umgang mit dem SPD-Mitglied Thilo Sarrazin. Der ehemalige Berliner Finanzsenator hatte in seinem Buch "Deutschland schafft sich ab" Muslimen hierzulande generell Integrationsunwilligkeit vorgeworfen. Ein Parteiausschlussverfahren zog die SPD-Spitze nach langen Beratungen jedoch zurück. Daraufhin erklärten zahlreiche SPDler mit Migrationshintergrund ihren Parteiaustritt.

Auf Worte folgen Taten

Mit der Quote von 15 Prozent will die Parteispitze nun gegensteuern. Dieser Wert entspricht in etwa dem Anteil der Menschen mit ausländischen Wurzeln in der SPD, der derzeit bei etwa 14 Prozent liegt. Grundlage für den Begriff Migrant soll die Definition des Statistischen Bundesamtes sein, wonach eine Person noch einen Migrationshintergrund hat, wenn die Großeltern nach Deutschland eingewandert sind. Derzeit gibt es SPD-Chef Sigmar Gabriel zufolge weder in der Parteispitze noch im Vorstand oder Präsidium jemanden mit Migrationshintergrund. Im Parteirat allerdings viele. Es sei ein Fehler des Dresdner Parteitages im November 2009 gewesen, keinen Migranten in den Vorstand zu wählen.

Die Sozialdemokraten lassen auf die Worte auch schon Taten folgen. Der baden-württembergische SPD-Landeschef Nils Schmid hat mit Bilkay Öney eine Deutsche mit türkischen Wurzeln zur Integrationsministerin im neuen rot-grünen Kabinett des südwestlichen Bundeslandes erkoren. Öney ist eine Ex-Grüne.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • HW
    Heidi Weh

    Solange es keine Frauenquote gibt, möge es auch keine Migrantenquote geben.

    Was die Austritte aus der Partei angeht - davon kann man sich doch nicht erpressen lassen.

  • RD
    Richard Detzer

    Fehlt noch daß den Sozen, was offenbar im Bundestrend liegt, einfällt, daß allein per Quote ein Regierungsbeteiligungsrecht verdienen. Offenbar ist das nur Eingeständnis, daß nach Mehrheiten gerechnet eine Demokratie nicht im Sinne bestehender Aufgaben zu organisieren ist. Das läßt allerdings auf vieles schließen.

  • B
    Buzzebaer

    "Muslimen hierzulande generell Integrationsunwilligkeit vorgeworfen."

     

    Nein, nicht generell, sondern sehr differenziert. Sie haben das Buch nicht gelesen oder nicht korrekt seinen Inhalt wiedergegeben.

     

     

    "Daraufhin erklärten zahlreiche SPDler mit Migrationshintergrund ihren Parteiaustritt."

     

    In der Presse war jedenfalls nur von einem zu lesen. Woher haben Sie "zahlreiche"?

     

     

    Auch wenn es nur ein kleiner Artikel ist, mir scheint, der Verfasser hat nicht genau gearbeitet. Manchmal habe ich den Eindruck, dass in der kostenlosen Zeitung in unserem Briefkasten besser journalistisch gearbeitet wird als hier. Nichts für ungut.

    Bitte nicht zensieren, ist jetzt nicht Welttag der Pressefreiheit?

  • E
    EnzoAduro

    Gillt die dann auch für Frauen und für Männer? Man wird das kompliziert....

    Und alt und Jung nicht vergessen. Ach und die Ossi Quote nicht.

     

    Dann hat man ja ganz viele Einzelquoten...

     

    Nein Quoten sind immer quatsch.

  • V
    vic

    Wenn sie geistig so sehr verkrustet sind, sollen die ihre Blockade eben über die Quote lösen. Ist doch nichts auszusetzen.

  • EG
    Enttäuschte Grüne

    Das nenn ich MUT! ...die SPD hat zwar in der Sarrazin Debatte versagt, aber in Punkto Migranten in der Politik tut sie genau das richtige! Es ist höchste Zeit, dass Regierungsparteien in den Landtagen das machen, was die CDU! mit Aygül Özkan mutig vorgemacht hat! Eigentlich wurde von den Grünen in BW erwartet, dass sie eine Person mit Migrationshintergrund (vorzugsweise türkisch oder arabisch) aufstellt, stattdessen von en Grünen wieder nur blablabla...

     

    Dass die Grünen so etwas nicht nötig haben, ist doch lächerlich und nicht glaubwürdig... hier spricht der blanke NEID gegenüber der Bilkay Öney! Die arme Canan Bayram (Ex-SPD!) kotzt bestimmt ab. Wäre sie mal nicht gewechselt... :)

  • S
    Sucher

    Wenn mich die einen, die Deutschen, nicht mehr mögen, suche ich mir neue Wähler. So wie sich die Ex-Kriegsgegner und die deutsche Regierung mittlerweile ein neues Migrationsvolk suchen.

  • S
    Shawnthelawn

    Dieser Quotenirrsinn, diese abgedrehte PC ist einfach nur noch lächerlich.

    Die Grünen und die Linken mit ihren Quotenforderungen für Frauen sind ja schon ziemlich überdreht und ideologische Irrläufer, doch die SPD, mit dieser völlig inkompetenten Nahles als Generalsekräterin, wobei die anderen Parteien kaum einen Deut überzeugender sind, die müssen natürlich noch einen drauf setzen.

    Wann kommt die Quote für homosexuelle Transsexuelle jüdischen Glaubens ?(Sorry für diese polemische Fragestellung! )

    Am Ende wird sich die Masse der Bevölkerung radikalisieren auf Grund von Überstrapazierung, und bereits heute erreichte Fortschritte werden wohl wieder im Schlund der Intoleranz verloren gehen, denn hey wir reden hier von Menschen.

    Sehen diese diletantischen Hobby-Politiker denn nicht die Entwicklung in einigen Teilen Europas ?

    Sogar das ehemals weltweit bewunderte, da sehr liberale und tolerante Holland oder die Niederlande, wie mans mag, drehen immer weiter nach Rechts.

    Mehr und mehr Länder folgen, selbst in Dänemark sind die Rechten mit an der Regierung und "fressen" fast täglich erkämpfte Rechte für Ausländer/Asylanten/Arbeitslose usw.

    Ungarn, Finnland, Frankreich?, Italien usw.

    Gewisse gewünschte Entwicklungen lassen sich halt nicht im Turbo voran treiben, dazu benötigt es vor allem Zeit, und keine diktatorische EU, die top-down, wie beim gender mainstreaming, ihre Wünsche einfach durchdrückt.

    Genau wie bei der Gleichberechtigung, eine wunderbare Angelegenheit, doch auch diese wird mit einer Turbo-Gleichstellungspolitik samt "politischer Geschlechtsumwandlung"(Volker Zastrow) sowie milliardenschwerer GenderIndustrie, die ja schon jetzt bizarre Blüten treibt, fast schon sabotiert und beschädigt.

    Diese ganze Entwicklung ist meines Erachtens angetrieben von einem völlig irrationalen und falschen Modernitätsglauben und diversen Ismen´, die nun wahrlich nicht überzeugen können, wenn man sich damit etwas beschäftigt.

    Nur etwas wird bei diesem Irrsinn vergessen; der einfache Bürger!

    Bleibt man weiter auf diesem Weg, ist die Gründung einer rechtsgerichteten Partei nur noch eine Frage der Zeit, und betrachtet man dabei noch die größte Partei der deutschen Wählerschaft, nämlich die Zahl der Nicht-Wähler bzw. Wahlverweigerer, sollte man erahnen können welch brandgefährliches Potential bereits heute in der deutschen Wählerschaft lauert.

    Die momentane hohe Anhängerschaft/Zustimmungsrate der Grünen sowie die hohe Wahlverweigerung korrelieren da doch zum Teil.

    Es fehlt nur noch einen oder mehrere glaubwürdigen:o und anerkannten rechte/n Politiker, und die Büchse der Pandora ist, wieder einmal, geöffnet, denn die Wählerschaft für eine rechte Partei, so meine persönliche Einschätzung, steht bereits wartend parat.

    Man muss nur einmal die Kommentare bei Blöd oder Würg lesen, um dies überdeutlich erkennen zu können.

     

    Ich verstehe diese tumben Politiker einfach nicht mehr, denn soviel Ignoranz, Kurzsichtigkeit und Verantwortungslosigkeit ist einfach kaum noch fassbar.

  • G
    Gäähn

    "Der baden-württembergische SPD-Landeschef Nils Schmid hat mit Bilkay Öney eine Deutsche mit türkischen Wurzeln zur Integrationsministerin im neuen rot-grünen Kabinett des südwestlichen Bundeslandes erkoren."

     

    Es gibt da ein klitzekleines Problem. Sehr viele Deutsche sehen sie als Türkin an. Solange man nicht demokratisch festlegt wen man Neues will und damit ein Prinzip anwendet welches in jeder größeren WG funktioniert, weiter von Oben diktiert wen man zu mögen hat, wird das auch so bleiben. Damit schafft man eine wie auch immer große Gruppe von Leuten die auf völlige Ablehnung schalten. Das geschieht seit über 25 Jahren und man kann Ergebnisse solcher Politik meist ertst später und schlagartig messen. Dann meist mit dem Erfolg radikaler Parteien. Es ist dank solcher Politik und einer völligen Unfähigkeit zur Debatte und Ehrlichkeit nur eine Frage der Zeit wann das auch bei uns kommt. Wäre Sarrazin wählbar gewesen, dann könnte die Politlandschaft heute schon gewaltig anders aussehen. Das blendet man weiter fleißig aus und glaubt "Integration", was auch immer das genau sein soll, als ein Allgemeingut verkaufen zu können. Zur Not durch mediale Gleichschaltung, politisch korrekte Sprachregelungen und die große Nazirassistenkeule gegen jeden Abweichler. In der DDR war auch jeder "gegen den Frieden", der Atomraketen ablehnte oder die Diktatur kritisierte. Wer Angst vor der Demokratie hat, der hat Angst vor dem Volk. Meist aus gutem Grund. Ohne Volksentscheide und damit eine Legitimierung wie auch ein Meßinstrument wird die "Integration" so gut klappen wie "Multikulti". Eigentlich dürfte es ja all die Probleme von heute gar nicht geben. Wer sie ankündigte oder bereits vor 20 Jahren erwähnte der war ein "Nazi" oder medial ein "geistiger Brandstifter". Jetzt haben die gleichen Leute die "Multikulti" auf den Fahnen und damit die perfekte Gesellschaft auf dem Papier hatten mit dem gleichen Konzept ein paar neue Wörter, mehr Medienmacht und die gleiche undemokratische Gesinnung. Das Scheitern wird auch das Gleiche sein.

  • C
    Chris

    Wie wäre es in unseren Parteien eigentlich mal mit Demokratie ? (Ja, böses Wort, damit hat man in Deutschland historisch schlechte Erfahrungen.) Dann stellt sich ein normaler Anteil schon von alleine ein.

     

    Ansonsten wäre mal eine Berufsquote nicht schlecht:

    Menschen, die in ihrem Leben mal was gearbeitet haben, nicht nur Juristen, Lehrer, Berufspolitiker und andere Dumpfbratzen.

  • B
    bienchen

    Das ist doch lächerlich, wenn jemand mit Migrationshintegrund in eine Partein eintreten will kann er dies unter den gleichen Voraussetzungen wie jeder andere auch. Falls jemand dies nicht so sieht, sollte er einmal überlegen ob es da nicht noch andere Gründe geben könnte, jedenfalls liegt es dann nicht an seiner Herkunft oder seinem Glauben. Wenn ich mich so umschaue ist Deutschland eines der ausländerfreundlichsten Länder un ist sich keiner Rechenschaft schuldig. Wir haben hier alle die gleichen Möglichkeiten uns in die Politik einzubringen. Ich finde auch die Entwicklung in Bezug auf Sarrazin sehr bedenklich, wo führt das hin wenn jedem, der auf ein gesellschaftliches Problem hinweist, solch ein Widerstand entgegengebracht wird? Sarrazin beruft sich auf Fakten und Erfahrungen, auch die Artikel von seiner Frau waren sehr glaubwürdig, jedoch weder klischeehaft noch ausländerfeindlich.

    Deswegen finde ich es von der SPD feige, ihr Image durch solch eine Fehlreaktion aufpolieren zu wollen.

  • D
    deviant

    Selbst die NPD hat mehr prominente Migranten in ihren Reihen als die SPD...was an sich schon peinlich ist, wird mit dem Ruf nach einer Quote, weil sie es sonst nicht auf die Reihe bekommen, noch peinlicher.

     

    Ich warte nun auf Sarrazins Wortmeldung, nicht Migranten in die Partei/Gremien zu holen, sondern Migrantenmüttern 50.000€ auszuzahlen, wenn sie ihr Kind gleich nach der Geburt in Deutschland in die SPD einschreiben...

     

     

     

    Wie sagt man noch? "Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!"

  • JL
    Juso Linke

    Euer SPD Bashing geht mir auf die Nerven. Mehr sage ich dazu nicht.