SPD lässt ihre Kandidaten vom Volk wählen: Vom Versuch, die Basis zu erweitern

Die SPD in Pankow will Parteilose über ihre Kandidaten für die Wahl 2011 mitentscheiden lassen. Doch kaum einer nutzt das.

Experimentelle Partei Bild: dpa

"Es war ein Experiment", sagt Klaus Mindrup nachher. Ein gescheitertes Experiment, müsste der Chef des SPD-Ortsverbands Prenzlauer Berg eigentlich sagen. Kaum zehn Normalbürger sind an diesem Dienstagabend der SPD-Einladung zu einer bislang einmaligen Sache gefolgt: als Parteiloser mitzubestimmen, wer bei der Wahl 2011 für die Sozialdemokraten antritt.

Sie hatten es sich schön ausgedacht in der gut 300 Mitglieder starken Pankower SPD-Abteilung 15, dem Ortsverband mit den Ausgehadressen Kollwitzplatz und Kastanienallee: Angesichts großer Debatten über Bürgerbeteiligung sollten Nicht-SPDler über SPD-Kandidaten zumindest mitentscheiden können. Man wollte Aufgeschlossenheit zeigen in Zeiten schwindender Parteibindungen und Transparenz statt angeblichen Hinterzimmergeklüngels. Doch mehr als 25 Interessierte werden es nicht an diesem Abend, doppelt so viele Stühle bleiben leer in einer Schulaula an der Kastanienallee - "und gut 60 Prozent sind doch SPD-Mitglieder", schätzt der Vorsitzende mit Blick in die Runde.

Ganz klar wird nicht, welches Gewicht die Stimmzettel haben, die am Ende, nach zweistündiger Vorstellung und Diskussion, in roten Pappboxen mit weißem SPD-Logo landen. Denn für den 14. Dezember ist im Terminkalender der Sozis eine Kandidatenaufstellung angekündigt, dann parteiintern. Es gebe kein imperatives Mandat, sagt Mindrup später, keinen Zwang, dem Votum in der Aula zu folgen. "Doch wenn der Saal voll gewesen und 90 Prozent für einen Kandidaten gestimmt hätten, hätte sich unsere Basis dem kaum entziehen können."

Nichtparteimitglieder über Parteibewerber bestimmen zu lassen ist ein teilweise in den USA angewandtes Verfahren. Open primaries heißen solche Abstimmungen, bei denen sich auch bekennende Republikaner an Entscheidungen der Demokraten beteiligen können. Üblicher ist aber auch dort die geschlossene Form, die closed primary, bei der die nur Parteimitglieder und ihr nahe stehende Wähler abstimmen dürfen.

Severin Höhmann und Max Neumann sind die beiden Anwärter auf die örtliche SPD-Direktkandidatur im Pankower Wahlkreis 8. Beide sind seit vielen Jahren vor Ort engagiert, Neumann wuchs sogar um die Ecke auf und kann erzählen, dass die Aula früher mal eine Turnhalle war. Als die Stimmzettel ausgezählt sind, liegt Höhmann deutlich vorn - aber es sind eben nur 19 Stimmzettel. "Ich verstehe es nicht", sagt Mindrup kopfschüttelnd, "wir haben die Sache doch beworben, das stand auch in der Zeitung." Das geringe Interesse ist für ihn "eine Gefahr für die Demokratie".

Der Abend zeigt aber auch, wie weit sich Parteipolitiker bei der Sprache von Normalbürgern entfernen können. Quasi zum Aufwärmen hat der Ortsverband ein Abgeordnetenhausmitglied um ein paar Worte zur Berliner Finanzlage gebeten. Von Globalsummen spricht der Mann, von Abschmelzen, vom "Z plus T-Teil", von "HzE" und "HzL" und dass man etwas noch "kumuliert betrachten" möge. Mit größerem Abkürzungsfimmel und mehr Fachsprache unterhalten sich auch die Finanzexperten im Hauptausschuss nicht.

Höhmann, der erst noch SPD-Abgeordneter werden will, drückt sich anschaulicher aus. Ob er diesen Ansatz tatsächlich ins Parlament tragen wird, ist aber fraglich. Denn obwohl die SPD 2006 sieben von neun Direktmandaten in Pankow gewann - der Wahlkreis 8 um Kastanienallee und Kollwitzplatz ging an die Grünen mit ihrem Fraktionschef Volker Ratzmann, und das lange vor dem aktuellen Grünen-Boom.

STEFAN ALBERTI

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