piwik no script img

■ Nachgefragt„SPD ist mehr“

Hartmut Frensel ist Bezirksleiter der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) Bremen. Das AfB-Gründungsmitglied trat vorgestern aus der SPD aus.

taz: Sie sind aus der SPD ausgetreten, warum?

Hartmut Frensel: Die SPD hier in Bremen stimmt mit meinen sozialdemokratischen Grundgedanken nicht überein, denn Sozialdemokratie macht mehr aus als das, was die SPD derzeit hier bietet. Es hat sich gezeigt, daß die SPD nicht mehr die Arbeitnehmer-Partei ist, wie wir sie aus ihrer Gründungszeit kennen.

Wo sind die Defizite?

So schön der Erfolg um die Rettung von Klöckner war, so gibt es aber auch andere Betriebe in diesem Land, die genauso Hilfe erwarten von diesem Senat. Hier bleibt alles ruhig, hier läßt sich keiner sehen. Ich nenne nur zwei, drei Betriebe, wo sich keiner drum kümmert. Die high-Tech-Betriebe STN-Atlas-Elektronik, bei ERNO mußten wir Arbeitsplätze abbauen, bei Airbus, auch bei der Bremer Wollkämmerei.

Was hätte die SPD besser machen können? Ein Interessentenmodell wie bei Klöckner?

Nein, die drei Betriebe stehen für viele andere. Der Senat hätte zumindest Anschubfinanzierungen geben können, insbesondere in den Rüstungsbetrieben, besonders seit 1989. Es ist klar, daß der Unternehmer erst mal die Krise selbst bewältigen muß. Aber es gibt vielfältige Möglichkeiten, so etwas auch aus Senatssicht zu begleiten, wo der Bürgermeister sich hätte stark engagieren können: Zum Beispiel bei öffentlichen Investitionen auf das Know-how der Bremischen Unternehmen zurückzugreifen. Alles das fand nicht statt.

Zuerst hieß es, die SPD-Mitglieder in der AfB würden nicht austreten, jetzt tun sie es nach und nach doch. Was hat diesen Sinneswandel bewirkt?

Ich will mich nicht weiter einer Diffamierungskampagne durch die SPD aussetzen. Es macht keinen Sinn, ein Verfahren zu bewältigen, das aussieht wie in einem schlechten Western: Sie kriegen ein ordentliches Verfahren, aber der Galgen ist schon gebaut.

Sie nennen die SPD einen „Wedemeier-Fan-Club“. Was heißt das?

Die letzten Monate und Jahre haben gezeigt, daß die Politik bei der SPD nur noch von einigen wenigen gestaltet wird. Das hat damit zu tun, daß Herr Wedemeier der Star der SPD ist, und alle anderen haben dann entweder linksrum oder rechtsrum zu gehen. Hier gibt einer die Richtung an und alle anderen folgen. Anscheinend gibt es keine Alternative zu Wedemeier mehr. Basisdemokratie und Dialog kann ich hier nicht erkennen. Ein Beispiel ist der Beschluß der Kammerzusammenlegung. Man hat im Landesvorstand erst den Beschluß gefaßt, anschließend bittet man zu Konsensgesprächen über die Zukunft der Kammern.

Hat das auch etwas damit zu tun, daß Wedemeier im Augenblick für rot-grün trommelt und die AfB sagt, alles nur das nicht?

Das hat auch damit zu tun. Ich würde eine rot-grüne Landesregierung für schlimm halten. In solch einem sensiblen Land wie Bremen eine Regierung rot-rün führen zu wollen, das geht nicht. Die Grünen haben in den letzten drei Jahren eine Frosch-Politik gemacht: Da wird irgendwo ein Frosch gesichtet und schon wird ein Schutzgebiet angemeldet. So geht das nicht. Ich bin für Naturschutz, aber erstmal bin ich allem voran für neue Arbeitsplätze und für diejenigen, die sich in Bremen ansiedeln wollen. Rot-grün wäre das Schlimmste, das wäre das Ende der Bremer Selbständigkeit. Fragen: bpo

Im Mai wird gewählt, die Zeit ist für Sie sehr kurz. Schaffen Sie es denn, einen eigenen Wahlkampf auf die Beine zu stellen?

Da sind wir ganz beruhigt. Alle, die glauben, daß AfB aufgrund dieser neuen Situation organisatorische Schwierigkeiten hat, die werden sich noch wundern. Zur Prognose für das Wahlergebnis: Unser Spitzenkandidat hat gesagt, zehn Prozent plus, dem kann ich gut folgen.

Werden Sie eher der SPD oder der FDP Stimmen wegnehmen?

Wir wollen keiner Partei wehtun, wir treten nicht gegen andere an, sondern wir treten für unsere Ideen ein. Und unser Programm heißt ganz einfach Stärkung der Steuerkraft in Bremen, nur so kann man sich auch alles andere erlauben, wie zum Beispiel Kultur und Soziales. Nicht erst die Wohltaten verteilen und anschließend überlegen, wie wir das bezahlen. Alle, die dieser Meinung sind. werden uns sicher wählen. Wenn das Genossen sind oder CDU- und FDP-Wähler, dann sind die herzlich eingeladen. Fragen:bpo

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen