: SPD gegen eigene Reform
BILDUNG Mit einer Änderung im Grundgesetz will die SPD dem Bund in Zukunft mehr Handlungsmacht in der Bildungspolitik geben. Damit widerspricht sie der eigenen Föderalismusreform
VON THOMAS SALTER
Die SPD hat auf ihrem Bildungskongress in Kiel erneut eine Grundgesetzänderung gefordert, um dem Bund in Bildungsfragen mehr Mitspracherecht einzuräumen. Damit stellt sie sich gegen eine Regelung der Föderalismusreform I, die sie 2006 gemeinsam mit der CDU beschlossen hatte.
Auf dem Kongress hat die SPD ein Grundsatzpapier präsentiert, das die Pläne für die Bildungspolitik umreißt. Als zentraler Punkt steht dort, dass die SPD auf gemeinsames Handeln von Bund, Ländern und Gemeinden setzt: „Wir wollen im Grundgesetz die Voraussetzung dafür schaffen, dass eine bessere Kooperation möglich ist“, heißt es.
Seit 2006 ist Bildungspolitik weitgehend Ländersache, das wurde im Zuge der Föderalismusreform I von Bund und Ländern festgelegt. Es besteht ein sogenanntes Kooperationsverbot, das es dem Bund untersagt, in den Bildungsbereich einzugreifen oder Finanzhilfen dafür zu gewähren. Dieses Verbot will die SPD kippen.
Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Priska Hinz, unterstützt diese Forderung: „Das Kooperationsverbot ist völlig falsch und fatal.“ Sie hält den Sozialdemokraten jedoch vor, selber für das Verbot mitverantwortlich zu sein. „Im Gegensatz zur SPD hatten wir 2006 gegen das Kooperationsverbot gestimmt“, sagt sie. Auch hatte die SPD erst im Juli die Gelegenheit, das Verbot aufzuheben. Der betreffende Grundgesetzartikel 104b wurde geändert – allerdings nur für Sonderfälle: So sollen künftig bei Naturkatastrophen Finanzhilfen zulässig sein. Die Gelegenheit, das Gesetz weiter zu lockern, hat die SPD-Bundestagsfraktion allerdings verpasst, bemängelt Hinz: „Eigentlich ist es ziemlich inkonsequent, das erst jetzt zu fordern.“
Neben der Forderung einer Grundgesetzänderung sind in dem Papier weitere bildungspolitische Ziele aufgezählt. Die frühkindliche Bildung soll weiter ausgebaut werden, auch das Angebot an Ganztagsschulen. Außerdem verlangt die SPD ein gebührenfreies Studium und will Bildungs- und Integrationspolitik in einem Ministerium zusammenführen.
Führen soll dieses Ministerium die SPD-Vizeparteichefin Andrea Nahles aus dem Kompetenzteam von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier. Nahles war zusammen mit Carola Reimann und Manuela Schwesig an der Ausarbeitung des Papiers beteiligt – genau wie führende SPD-Landespolitiker aus Thüringen, dem Saarland und Sachsen. In allen drei Bundesländern stehen Ende dieses Monats Landtagswahlen an.
Am Donnerstag hat die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) die Ergebnisse einer Langzeitstudie zum Thema Bildung vorgestellt. Die wirtschaftsnahe INSM kommt darin zum Ergebnis, dass die Bildungssysteme aller 16 Bundesländer in den vergangenen fünf Jahren deutlich leistungsfähiger geworden sind.
Das Bildungssystem in Sachsen sei laut INSM am ehesten dazu in der Lage, die Wirtschaftsleistung anzukurbeln, gefolgt von Thüringen, Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen. Berlin schnitt am schlechtesten ab, hat sich jedoch verbessert: Mit dem jetzigen Wert wäre das Land 2004 noch Spitzenreiter gewesen.