: SPD feiert Niederlage beim Staatsvertrag
Entgegen der zufriedenen Verlautbarungen des Bundes-SPD-Chefs Vogel ist nach der letzten Verhandlungsrunde bei Kanzler Kohl klar: Es gibt keine substantiellen Nachbesserungen beim Staatsvertrag / Schäuble stellt zwei Modelle für gesamtdeutsche Wahlen und Vereinigung vor ■ Aus Bonn Ferdos Forudastan
Entgegen ihrer Darstellung hat die SPD Verbesserungen des deutsch-deutschen Staatsvertrages nicht durchgesetzt. Dies zeichnete sich nach dem letzten Gespräch zwischen sozialdemokratischer Opposition und Bundesregierung ab.
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der Bundesminister Waigel (Finanzen), Haussmann (Wirtschaft), Schäuble (Innen), Töpfer (Umwelt) und Kanzleramtsminister Seiters zelebrierte die Regierung ihren Sieg über die SPD: Es werde keinerlei Nachbesserungen und Ergänzungen des Staatsvertrages geben, betonten alle Männer mehrfach.
DDR-Betriebe werden nicht entschuldet, höhere Einfuhrsteuern nicht eingeführt.
Dies beschied Wirtschaftsminister Haussmann. Beide Maßnahmen hat die SPD wochenlang als zentrale Nachbesserungswünsche bezeichnet. Von der SPD geforderte Änderungen in den Bereichen Umweltschutz, Umgang mit den Vermögen von SED und Blockparteien, Verhinderung des Mißbrauchs bei der Währungsumstellung sind, so stellte es Kanzleramtsminister Seiters dar, unabhängig von der SPD auf den Weg gebracht worden. Die Währung wird im „Stichprobenverfahren“ umgestellt, um Spekulantentum zu verhindern.
Alle Minister nutzten vor der Presse jede Gelgenheit, zu demonstrieren, daß sie die sozialdemokratische Opposition in Sachen Staatsvertrag nicht ernst nehmen: Man habe mit der SPD nicht verhandelt sondern nur Gespräche geführt, um die Position der Bundesregie rung zu erläutern; der Staatsvertrag bedürfe keiner Nachbesserung. Dies betonte etwa Kanzleramtsminster Seiters.
Das letzte Gespräch sei informativ gewesen, besonders für die SPD: Dies beschied feixend Finanzminister Waigel. Die Bundesregierung habe die Sozialdemokraten so umfassend über den Staatsvertrag aufgeklärt, daß ihnen das Ja dazu jetzt leicht fallen werde, beschrieb Wirtschaftsminister Haussmann das letzte Treffen mit der SPD in dieser Sache.
Ganz anders stellte der SPD Partei- und Fraktionsvorsitzende Hans-Jochen Vogel das Ergebnis der Gespräche mit der Bundesregierung dar: Es habe sich nicht nur um eine „Frühstücksunterhaltung“ sondern um eine „sehr ernsthafe Diskussion“ gehandelt. Auf der Grundlage des SPD -Parteivorstandsbeschlusses sei ein „beträchtliches Maß an Zufriedenheit am Platze“. Auf allen für die SPD wichtigen Gebieten habe es weitere Bewegungen gegeben. Als Beispiele nannte er die vorgesehene Kurzarbeiterregelung, die Beschlagnahme von Parteienvermögen, den Umweltschutz und Umtauschregelungen.
Minister Schäuble stellte zwei mögliche Varianten für Vereinigung und gesamtdeutsche Wahlen vor: Modell eins bedeute Beitritt der DDR nach Artikel 23 des Grundgesetzes. Drei bis vier Monate danach könnten gesamtdeutsche Wahlen nach einem einheitlichen Wahlgesetz stattfinden. Modell zwei bedeutet, daß Beitritt und Wahl des Parlaments etwa zeitgleich erfolgen, auf der Basis zweier verschiedener Wahlgesetze. Dies könnte dazu führen, daß die Fünf-Prozent -Klausel in der DDR nicht gilt. Siehe auch Seite 6
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