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SPD drängt auf Hilfe für Geiseln

■ Regierung rät nach zweitem Spitzengespräch erneut ab/ Lafontaine will alles versuchen

Bonn (afp) — Der geplante Vermittlungsversuch des SPD-Ehrenvorsitzenden Willy Brandt zugunsten der ausländischen Geiseln im Irak ist weiter umstritten. Kanzleramtsminister Rudolf Seiters (CDU) sagte nach einem Spitzengespräch von Koalition und SPD-Opposition unter Leitung von Bundeskanzler Helmut Kohl, die Bundesregierung rate Brandt von einer Mission zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab. Dagegen sprach sich SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine für eine Reise von Brandt nach Bagdad aus. „Unterhalb der Regierungsebene“ müsse alles versucht werden, um den rund 400 im Irak und in Kuwait festgehaltenen deutschen Geiseln zu helfen. Brandt selbst hält sich in dieser Woche zu einem Besuch in den USA auf.

Seiters verwies nach dem zweiten Spitzengespräch innerhalb von fünf Tagen ebenso wie Regierungssprecher Norbert Schäfer auf die Erklärung der EG-Staats- und Regierungschefs vom Wochenende, wonach keine Regierungsvertreter der EG- Staaten — in welcher Eigenschaft auch immer — mit dem Irak über die Freilassung der Geiseln verhandeln sollen. Das trifft nach Schäfers Ansicht auch für den SPD-Ehrenvorsitzenden zu. Dies bedeute jedoch nicht, daß die deutschen Geiseln im Stich gelassen würden, betonte der Kanzleramtschef. Opposition und Regierung wollen weiter in Kontakt bleiben.

Lafontaine verwies ebenso wie Parteichef Hans-Jochen Vogel nach einer SPD-Präsidiumssitzung am Nachmittag auf die „vielfältigen Aktionen“ in anderen europäischen Staaten wie Frankreich oder Spanien. Auch die Bundesrepublik müsse diese Möglichkeiten nutzen und alle Möglichkeiten ausschöpfen, um den Geiseln zu helfen. Eine Debatte über den möglichen Einsatz von Bundeswehrsoldaten am Golf, die vor allem von der CSU genährt würde, lehnte er als „absolut kontraproduktiv“ ab. Auch der Grünen-Abgeordnete Alfred Mechtersheimer forderte den Vorsitzenden der Sozialistischen Internationalen zu einem Besuch in Bagdad auf.

Brandt hatte der Bundesregierung am Wochenende im Wahlkampf vorgeworfen, seine Reise verhindert zu haben. Er selbst habe die Reise antreten wollen, dann aber auf Anraten der Regierung verzichtet. Nach den Worten des Sprechers des Auswärtigen Amts, Jürgen Chrobog, bemüht sich das Außenministerium derzeit um Besuchsmöglichkeiten für die Angehörigen von in Bagdad festgehaltenen deutschen Geiseln. Als nahezu hoffnungslos bezeichnete der Sprecher Versuche, Besuchsmöglichkeiten für die 77 an strategisch wichtige Orte verschleppten Deutschen zu erreichen. Die deutsche Botschaft habe keinen Zugang zu diesen Geiseln.

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