■ SPD-Signale nach den bayerischen Kommunalwahlen: Von Rot-Grün zu Schwarz-Rot
Die bayerischen Wähler haben der rot-grünen Koalition in Nürnberg eine Absage erteilt. In München sah es noch vor der Auszählung aller Stimmen so aus, als könne sich Rot-Grün knapp halten. In Nürnberg, der seit Kriegsende von der CSU noch nie eingenommenen roten Hochburg, geriet die Wahl für die SPD zu einem Debakel, für Bündnis 90/Die Grünen zu einem herben Rückschlag.
Es zeigte es sich, daß die Grünen ihrer Sache zu sicher waren. Umfragen signalisierten ihnen bereits zweistellige Ergebnisse. Selbstsicherheit geriet im Wahlkampf zu Selbstgefälligkeit und einem lustlosen Werben um WählerInnen. Inhaltliche Aussagen waren absolute Mangelware. Der Spruch „Es gibt viele Gründe, grün zu wählen“ ist eben zu wenig, um potentielle WählerInnen zur Stimmabgabe zu mobilisieren. Die fuhren bei dem schönen Wetter lieber ins Grüne. Die geringe Wahlbeteiligung gerade in den Großstädten ging zu Lasten der regierenden rot-grünen Koalitionen und der sozialdemokratischen Oberbürgermeister.
Grün ist – auch in Bayern – kein Selbstläufer mehr. Angesichts von zweistelligen Arbeitslosenzahlen wie in Nürnberg, angesichts der finanziellen Misere der Städte müssen auch die Bündnisgrünen bei Kommunalwahlen Lösungsansätze und Perspektiven anbieten, anstatt inhaltsleere Slogans zu verbreiten. Wenn Bündnis 90/Die Grünen die Verluste der SPD nicht mehr auffangen, hat sich bei einer schwächelnden SPD die Frage Rot-Grün zudem schon von selbst beantwortet.
Normalerweise werden Kommunalwahlen von den Siegern allzugern, von den Verlierern jedoch äußerst ungern bundespolitisch hochgerechnet. Daß die CSU den Urnengang im Freistaat zu einem „bundesweiten Signal für die gesamte Union“ hochstilisiert, ist verständlich.
Staunen läßt es aber, wenn ausgerechnet Bayerns SPD-Chefin Renate Schmidt zwei Wochen vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz genau dies tut. „Die Zukunft liegt bei SPD pur“, erteilt sie dem Modell Rot-Grün eine Absage. Die SPD solle sich „auf ihre eigene Kraft besinnen“. Da es genau an dieser eigenen Kraft mangelt, will das heißen: Rot-Schwarz. So lauten denn auch die Signale aus Bayern. Nürnberg wird es vorexerzieren. Bernd Siegler
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