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SPD-Politikerin zu Griechenland"Die Spekulanten übertreiben"

Die Euroländer sollten eine Garantie für Griechenlands neue Staatsanleihen abgeben, fordert die SPD-Politikerin Skarpelis-Sperk.

Gegen die Sparpläne: Ein Rentner protestiert vor dem Amtssitz von Ministerpräsident Papandreou. Bild: ap
Ulrike Herrmann
Interview von Ulrike Herrmann

taz: Frau Skarpelis-Sperk, die griechische Regierung hat radikale Sparmaßnahmen beschlossen. Ist das bankrotte Griechenland damit gerettet?

Sigrid Skarpelis-Sperk: Die Lohnkürzungen werden die Rezession verschärfen - und zu neuen Steuerausfällen führen.

Sigrid Skarpelis-Sperk

64, ist Präsidentin der Vereinigung der deutsch-griechischen Gesellschaften. Die promovierte Volkswirtin gehört seit vier Jahrzehnten der SPD an und war von 1980 bis 2005 Abgeordnete im Bundestag.

Wo soll der Staat also sparen?

Wenn die Eliten Steuern abführen würden, wäre das Problem behoben. In Griechenland zahlen nur die normalen Angestellten Steuern. Die Selbständigen entziehen sich weitgehend.

Hier verweist man gern darauf, dass sich die Griechen einen üppigen Sozialstaat leisten.

Sie geben deutlich weniger aus als wir. Die griechische Eckrente liegt bei 780 Euro, die Mindestrente unter 600 Euro. Griechenland hat zudem in den letzten Jahren hunderttausende Griechen aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, Albanien und dem restlichen Balkan aufgenommen, die weder in die Renten- noch Krankenkassen eingezahlt haben. Dagegen ist der Anteil der Aussiedler in Deutschland fast verschwindend.

Aber wie soll Griechenland der Schuldenfalle entkommen?

Das Problem wird von den Spekulanten übertrieben: Die Schulden Griechenlands betragen zwar 120 Prozent des Bruttosozialprodukts - aber die Japaner sind zum Beispiel bei knapp 200 Prozent angekommen. Die Griechen könnten ihre Schulden bedienen, wenn sie nur "deutsches" Zinsniveau zahlen müssten.

Was sollten die Euroländer also tun?

Sofort eine Garantie für die neuen Staatsanleihen Griechenlands abgeben. Das würde den deutschen Steuerzahler überhaupt kein Geld kosten - würde aber die Zinskosten für die Griechen drastisch senken, weil sie keine Risikoaufschläge mehr zahlen müssten. Es ist doch Wahnsinn, dass die Griechen die unverschämten Spekulationsgewinne der Banken und Hedgefonds finanzieren sollen.

Bis 2012 soll die Neuverschuldung von Griechenland drastisch sinken. Geht das überhaupt?

Solange die Wirtschaftskrise andauert, ist das reine Illusion. Trotzdem müssen Korruption und Steuerhinterziehung natürlich energisch bekämpft werden. Zudem könnte Griechenland Milliarden in der Rüstung sparen - aber daran haben die großen Nato-Länder kein Interesse, die am Rüstungswettlauf zwischen Griechenland und der Türkei verdienen. Bei seinem Antrittsbesuch in Athen hat Außenminister Westerwelle die Griechen gedrängt, dass sie doch bitte Eurofighter kaufen sollen. Und die Franzosen haben verlangt, dass die Griechen vier Fregatten für über 3 Milliarden Euro bestellen. Das ist doch schizophren. Die EU sollte garantieren, dass sie Griechenland bei einem unprovozierten Angriff verteidigt. Das würde den Haushalt stark entlasten.

Einige Volkswirte vertreten die Meinung, dass man Griechenland ruhig pleitegehen lassen könnte. Das Land trage nur 2 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt der Euroländer bei.

Eine schwere Rezession in Griechenland würde den ganzen südlichen Balkan destabilisieren. Denn in Griechenland leben zwischen 1,2 und 1,7 Millionen Gastarbeiter, vor allem aus Albanien und Bulgarien. Sie würden als Erste nach Hause geschickt.

INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN

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9 Kommentare

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  • U
    Ulrich

    Verstehe ich das richtig?

    Sie wollen den Betrügern Geld hinterher schmeißen?

    Wem wollen Sie das vermitteln?

  • I
    Inselwanderer

    Gratulation Frau Skarpelis-Sperk! Sie sind die erste die einen Zusammenhang zwischen den irrsinnigen Rüstungsausgaben und den "Finanzproblemen" herstellt. Kein Land kann über Jahrzehnte (mehr als 3 mal soviel wie Deutschland - vom BIP) Geld in Vernichtungswaffen investieren statt in die Wirtschaft, ohne Schwierigkeiten zu bekommen. Leider haben die Politiker via Presse es geschafft deutsche Steuerzahler mit der Hetze gegen Griechenland in Schach zu halten, als sich ihrem Teil der Verantwortung zu stellen: Die Misere haben sie auch Deutschland eingebrockt. Weil sie die geplatzten Kredite via Bankenhilfe den deutschen Steuerzahlern aufbrummen ist kein Geld sinnvolle Investitionen da. Kredit für Rüstungsexport ist ein Verbrechen!

  • W
    wolfgang

    So so, 1,7 Mill unqualifizierte bulgarische und albanische Gastarbeiter in Griechenland könnten also das gesamte Finanzsystem der EU destabilisieren? Da ist es ja gut, daß sonst alles in bester Ordnung ist.

  • A
    A.Grech

    Eine Garantie auf die Rückzahlung der künftigen griechischen Staatsanleihen abzugeben ist quasi ein Blanko-Scheck. Das "kostet" deutlich mehr als 0,1 % höhere Zinsen.

  • M
    MeckieMecker

    Kann mich Yohak nur anschliessen.

    Und da das gesamte Ausmaß der griechischen Miesere noch nicht abzusehen ist, ist ein Staatsbankrott noch allemal drin. Und da sich jetzt schon abzeichnet, dass die Bevölkerung mit den Vorschlägen der Regierung nicht einverstanden ist, bleibt dass auch weiterhin spannend. Muhaha, und das die Reichen jetzt auf einmal Steuern zahlen sollen ist zwar ein frommer aber auch sehr naiver Gedanke. Wie gut das selbst bei uns funktioniert, sieht man ja bei jeder neuen Daten CD, die auftaucht.

     

    Und auf einmal kostet es den Steuerzahler eben doch noch 25 Milliarden €.

  • Y
    yohak

    Man kann es nicht oft genug sagen: TANSTAAFL (There ain't

    no such thing as a free lunch). Umsonst gibt es nichts.

    Es ist einfach eine Illusion zu glauben, eine deutsche/eruopäische Garantie für griechische Anleihen würde nichts kosten. Richtig ist, dass so eine Garantie das Vertrauen in die deutsche Kreditwürdigkeit etwas reduzieren würde, sodass Deutschland für seine Kredite etwas mehr Zinsen zahlen müßte. Wahrscheinlich nicht viel, aber auch 0,1 % mehr Zinsen summieren sich bei der Höhe der deutschen Staatsverschuldung schnell zu einigen Milliarden.

    Trotzdem gibt es natürlich einige Gründe, den Griechen zu helfen. Aber man sollte sich klar darüber sein, dass das nicht zum Nulltarif geht.

  • D
    Durch

    Danke für diese interessanten Hintergrundinformationen. Die Steuermoral in Griechenland scheint ja tatsächlich noch schlechter zu sein als in Hessen (siehe: http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/kampf-um-die-ehre/ )

     

    Ein Sozialstaat ist ohne Konsequenz und Gerechtigkeit bei den Abgaben nicht finanzierbar - aber interessanterweise wird die Diskussion immer nur darum geführt was man den ärmeren Schichten noch abverlangen kann.

  • W
    Westberliner

    ... und was hat unser Staatsfeind Nr. 1 dazu beizutragen?

     

    "Griechenland muss Staatseigentum privatisieren".

     

    Tolle Ratschläge, Herr Westerwelle. Wohin das führt, können wir in Deutschland sehen.

  • A
    Amos

    Der kapitalistische Imperialismus (besonders der Ami)

    verspricht allen eine bessere Welt. Aber wie man sieht

    entsteht genau das Gegenteil. Je mehr das Kapital gewinnt, desto mehr verliert das Volk. Gewinnmaximierung geht vor Allgemeinwohl. Kommt es durch die grenzenlose Gier zur Stagnation, wird das

    "Allgemeinwohl" für das Kapital zur Kasse gebeten.

    Wann merkt auch der Letzte,dass dieses System nicht mehr funktioniert. Wenn das Kapital weiter auf seinem

    Geld sitzen bleibt wie eine Glucke auf ihren Eiern,

    wird man eines Tages das Huhn schlachten. Ist das Volk

    für das Kapital da, muss das kapital auch für das Volk

    da sein und nicht nur von ihm profitieren wollen. "Wer die Hand nicht aufmacht, kann sie auch nicht

    zu machen.