piwik no script img

SPD-ParteitagWowereit schlägt Wahlprogramm

Die Sozialdemokraten küren Klaus Wowereit zu ihrem Spitzenkandidaten. Inhalte gehen dabei unter.

Vielen Dank für die Blumen: Klaus Wowereit, der Kandidat. Bild: dpa

Als SPD-Fraktionschef Michael Müller das Wahlprogramm erklärt, strömen die Menschen schon reihenweise aus dem Saal. Klaus Wowereit ist gerade als Spitzenkandidat der SPD für die Abgeordnetenhauswahl gewählt worden, einstimmig, was kann da noch kommen. Die Feinheiten in Sachen kommunale Unternehmen, Bildung und Finanzpolitik scheinen jedenfalls nachrangig.

Eine Viertelstunde zuvor hat die alte Fabrikhalle in der Nähe des Gleisdreiecks, in der die SPD ihren Parteitag abhält, noch getobt. Klaus Wowereit spricht, eine gute Stunde lang. Er referiert über Errungenschaften nach zehn Jahren rot-roter Regierung, wobei er das zweite "rot" tunlichst übergeht. Er redet über Sozialleistungen und sozialdemokratische Werte und verteilt Seitenhiebe in Richtung der Grünen, ohne sie explizit zu erwähnen. „Diesen Dilettanten darf man nicht die Führung in der Stadt überlassen“, sagt er, mit Blick auf den im Bau befindlichen Flughafen BBI im Speziellen und Wirtschaftspolitik im Allgemeinen. Es sind vor allem solche Äußerungen, die die 1.000 Mitglieder, Gäste und Delegierten mit tosendem Applaus belohnen. Die Grünen sind auch abseits der Bühne Gesprächsthema, auch wenn die SPD in der jüngsten Umfrage wieder vorne liegt.

Strittige Themen schneidet Wowereit nur an. Thilo Sarrazin zum Beispiel, dessen Namen er nicht einmal nennt. Die Pappschilder mit dem durchgestrichenen Konterfei des umstrittenen Autors und SPD-Mitglieds, die zuvor über einen Tisch gereicht wurden, kommen nicht zum Einsatz, ein Protest-T-Shirt geht in der Masse unter. Auch die umstrittene Verlängerung der Stadtautobahn A 100 erwähnt Wowereit nur kurz, der Applaus danach hält sich in Grenzen. Stattdessen lobt er sich selbst: „Ich glaube, die SPD hat viele andere. Aber keinen so Guten wie mich.“

Fertig zum Wählen

Die SPD ist die letzte der Parteien im Abgeordnetenhaus, die ihre Wahlvorbereitungen abschließt. In den vergangenen Wochen hatten bereits Grüne, Linkspartei, CDU und FDP ihre Wahlprogramme beschlossen und Spitzenkandidaten nominiert. Als ernsthafte Konkurrenz für Wowereit gilt die Grüne Kandidatin Renate Künast. Nach der jüngsten Umfrage liegt die SPD wieder wenige Prozentpunkte vor den Grünen, in der vorherigen Umfrage hatten die Grünen die Spitzenposition inne. Wahltermin ist der 18. September.

Das scheint tatsächlich Konsens zu sein: Die Besucher und Delegierten belohnen den Regierenden nach seiner Rede minutenlang mit stehendem Applaus, als hätten sie ihn bereits gewählt. Da bleibt eigentlich nur noch die Frage, ob es möglicherweise Enthaltungen bei seiner Wahl geben wird, Gegenstimmen sind nicht zu erwarten. Enthaltungen bleiben dann auch aus.

Die Zeit für die Inhalte ist recht übersichtlich: Eine kurze Diskussion über Lernmittelfreiheit, Antrag abgelehnt, genau wie alle weiteren, bei denen die Antragskommission die Ablehnung empfohlen hatte. Und dass das Wahlprogramm zwar ohne Gegenstimmen, aber mit einer Enthaltung beschlossen wird, ist dann auch nur noch ein Schönheitsfehler auf dem Weg zur anschließenden Feier.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • MG
    Mischa Grotjohann

    In Napoli lässt der Berlusconi den Müll wegräumen, in Berlino lässt der Wowereit die U-Bahn sicher machen. Bis nach der Wahl. Die Welt ist eine Scheibe.

  • L
    Lincoln

    veni, vedi, vici? Ob das nicht zu früh war? Oder meint er alles wäre in Butter, insbesondere bei den Finanzen?

    http://www.stabilitaetsrat.de/DE/Aufgaben/Ueberwachung-Konsolidierungsverpflichtungen/Ueberwachung-Konsolidierungsverpflichtungen_node.html

    Der nächste große Knall kommt bestimmt und der nächste Zwischenfall in einer U/S-Bahn Station auch (leider :-( ) und da meint er mit seinem Programm "Wowi" er hätte alles im Griff? Nichts hat er im Griff und die Rechnung kommt bestimmt, den Eigenlob stinkt bekanntlich!