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SPD-ParteitagEnde eines schönen Traums

Kommentar von Stefan Alberti

Schade ist nicht, dass die Berliner SPD ihren Vorsitzenden auswechselt - schade ist, wie sie es tut: Auf Basis vorangegangener Entscheidungen. Das gesprochene Wort und der jeweilige Auftritt beim Parteitag hatten an diesem Wochenende fast null Einfluss auf das Ergebnis.

E s gab da mal eine schöne Idee. Menschen sollten sich treffen, Argumente anhören, Kandidaten vergleichen und am Ende abstimmen. Parlament nannte man einen solchen Ort, vom französischen parler – reden. Dort ist das längst nicht mehr so, es geht fast immer nach Fraktionszwang. Parteitage aber konnten gelegentlich noch so ein Ort sein, an dem sich Dinge entwickeln, wo das gesprochene Wort etwas bewegt. Am Wochenende blieb das ein naiver Traum: Der SPD-Parteitag war kein Wettstreit von Ideen und ihrer besten Darstellung, sondern reine Abstimmungsmaschinerie.

Reden ohne Resonanz

122 Delegierte hatte man vor dem Parteitag Jan Stöß zugeordnet, weil sich zuvor ihre Kreisverbände für ihn ausgesprochen hatten, 103 für Müller. Bis auf eine Stimme änderte sich daran nichts, als nach fast sieben Stunden das Ergebnis stand. Dass Müller die deutlich bessere Rede hielt, wie auch Stöß-Fans zugaben, dass die besseren Diskussionsbeiträge vom Müller-Lager kamen, all das bewirkte – nichts!

Dabei soll es hier nicht um Stöß oder Müller gehen, sondern ums Prinzip: dass man sich nämlich Parteitage sparen kann, wenn es sowieso egal ist, wer dort wie auftritt. Zwei Alternativen bieten sich an: entweder schlicht im Umlaufverfahren die Kreisverbände abfragen. Oder den Parteichef direkt von allen Mitgliedern statt von Delegierten wählen zu lassen.

Das Ganze ist kein SPD-Phänomen: Bei den Grünen-Realos kursierte 2011 vor der Kandidatenauswahl der Hinweis, sich auf keinen Fall von guten Reden leiten zu lassen und andere als die verabredeten Leute zu wählen.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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4 Kommentare

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  • T
    tageslicht

    Blöd. Da bilden sich Delegierte scheinbar über Jahre eine eigene Meinung, und wählen dann dementsprechend, und dadurch fällt eben der blasse Lakai von Wowereit durch. Dabei wäre es doch anders viel toller. Wenn nämlich ein Politiker machen könnte, was er will, um dann auf einem Parteitag eine tolle Rede zu halten, damit ihm die Liebe nur so zufliegt. Herr Alberti, habe ich Sie richtig verstanden: Wäre Adolf Hitler charismatischer gewesen, und hätte sich auf einem Parteitag zur Wahl gestellt mit einer tollen Rede, dann hätten sie ihn gewählt, ja?

    Gut zu wissen :)

  • W
    Wowiversteher

    Meine Guete Herr Alberti.Sie scheinen die Abwahl Muellers ja nicht gut zu verkraften. Das ist der zweite Kommentar innerhalb von 36 Stunden zu dem Thema. So funktioniert die parlamentarische Demokratie nun mal. So etwas wird aber immer nur zum Problem, wenn die eigene Meinung unterliegt. *gähn*

  • M
    max

    iat das ein plädolier für den sturm des emotionalen augenblicks? für den furor des moments? der bessere volkstribun möge entscheiden? ist das ein ernstgeneinter vorwurf, dass sich delegierte an die weisung ihrer jeweiligen basis halten, anstatt sich - bin zu letzt unentschlossen - von der besseren darstellung bei einem einzigen event überzeugen zu lassen?

     

    ich kann nicht ganz glauben, dass in der taz dagegen stimmung gemacht wird, dass menschen eine meinung, die sie sich über monate und jahre gebildet haben, nicht wegen einer einzelnen guten performance über bord werfen.

     

    was ist nur aus euch geworden?

  • V
    vjr

    Schade ist wie sie es tut? Stimmt! In einer Kür, wie die meisten Parteien Deutschlands – ZItat: "... In einer «Kampfabstimmung»...unterlag der Vertrauensmann Wowereits, Michael Müller, gegen den Sprecher des linken Parteiflügels, Jan Stöss ... Es war die erste «Kampfabstimmung» um den Parteivorsitz seit zwölf Jahren – die Berliner SPD liebt wie die meisten deutschen Parteien die obrigkeitliche Orchestrierung parteiinterner Ausmarchungen. In der Regel kandidiert nur ein von der Parteispitze erkorener Politiker ...

    ... Mit scharfen Worten hatte sich Wowereit gegen die Idee eines eigenständigen Parteiprofils gewandt ... Das ist starker Tobak, selbst im zur verbalen Deutlichkeit neigenden Berlin, und man muss vermuten, dass Wowereit spürt, wie gefährlich ihm auf die Dauer der Stimmungswechsel an der Basis werden könnte. Ganz offensichtlich empfindet ein grosser Teil der traditionell nach links neigenden Berliner SPD die Zusammenarbeit mit der CDU als Ärgernis oder bestenfalls als notwendiges Übel, nicht aber als Ausdruck vernünftiger Politik. Man fürchtet die Konkurrenz der Piraten, der Linken und der Grünen. Die grosse Koalition, in die sich Wowereit, dem die Grünen zuwider sind, geflüchtet hat, ist unter allen Linken verhasst und wird in der SPD selber oft als Verrat empfunden ... Stöss ist die Personifizierung dieses Denkens ... Dass die SPD, die in Berlin länger als jede andere Partei regiert, Bürgermeister wie Ernst Reuter, Otto Suhr, Willy Brandt und Heinrich Albertz hervorgebracht und dabei oft ausgesprochen pragmatisch mit der CDU kollaboriert hat, ist für Stöss nicht ausschlaggebend ..."

    –Ulrich Schmid (Berlin) in: "Berliner SPD: Dämpfer für Wowereit"

    www.nzz.ch/aktuell/international/daempfer-fuer-wowereit-1.17219635