■ SPD-Parteitag hat heute die Wahl: Blindflug in die Koalition
Auf dem letzten SPD-Landesparteitag Mitte Dezember forderte die gewesene Spitzenkandidatin Ingrid Stahmer, die Partei müsse wieder „Ideen entwickeln, die die Stadt bewegen“. Warum sie darüber nicht vor dem desaströsen Wahlgang am 22. Oktober nachgedacht hat, sagte die Noch-Senatorin nicht – es fragte auch kein Delegierter. Ausgepfiffen wurde sie für solche Frechheit ebenfalls nicht. Bei den Koalitionsverhandlungen hat sich der Mangel an Ideen und Vorstellungen fortgesetzt, wie eine moderne, auf der Höhe der Probleme befindliche Großstadtpartei sozialdemokratisch buchstabiert wird. Sichtbar wurde bei den Verhandlungen statt dessen, daß die SPD keinen Mut zu neuen Wegen hat und weit schlechter organisiert ist als die CDU.
Nun rächt sich, daß die SPD unter dem Eindruck der schweren Wahlniederlage Ende Oktober zwar eine innerparteiliche Debattenoffensive beschloß, sie aber nie verwirklichte. Nachholbar wird das am heutigen Abend nicht sein. Insbesondere nicht beim Dreiminutentakt der Redner. In einer Partei, in der kaum jemand dem Parteifreund zuhört, weil eh jeder jeden kennt und längst einem Lager zugeordnet hat, sind das keine guten Voraussetzungen zu einer nüchternen Bilanz, wo die Partei drei Monate nach der Wahlniederlage steht.
Die Delegierten haben heute abend keine leichte Wahl. Sie müssen nahezu im Blindflug über die Koalition entscheiden. Welche Senatsressorts die SPD besetzen darf, wird – wenn überhaupt – erst kurz vor Beginn des Parteitags klar sein. Welche Vermögenswerte zur Schuldentilgung verscherbelt werden, wird sogar erst Ende Mai feststehen. An der Wohnungstür würde man sich auf solch windiges Geschäft eines fliegenden Händlers nicht einlassen, und wenn er Dzembritzki hieße. Die CDU hat es einfacher. Sie will nur eines: regieren. Und zwar ohne Wenn und Aber. Gerd Nowakowski
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