SPD-Parteispendenaffäre in NRW: Innenminister unter Verdacht
Hat Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger als Duisburger SPD-Chef einem Parteifreund Aufträge zugeschanzt? Die Opposition meint ja und fordert bereits den Rücktritt.
KÖLN taz | Wegen einer Parteispendenaffäre muss sich Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) heftiger Angriffe der Opposition erwehren. Es geht um seine Kontakte zu dem zwielichtigen Rechtsanwalt Lothar Vauth. Für "Dankeschön-Spenden" soll sich Jäger als Duisburger SPD-Chef dafür eingesetzt haben, dass sein Parteifreund lukrative Beratungsmandate von einer städtischen Gesellschaft erhielt.
Konkret geht es um zwei - später zurückgezahlte - Spenden im Jahr 2008 an die Duisburger SPD in Höhe von insgesamt 9.000 Euro sowie um 17.374 Euro für fünf Rechtsgutachten an Vauths Kanzlei von der städtischen "Gesellschaft für Bildung" (GfB), deren Aufsichtsratsvorsitzender Jäger ist. Landeschef Norbert Röttgen fordert bereits seinen Rücktritt: "Das sind gravierende Vorwürfe, die sich nicht gegen irgendein Kabinettsmitglied richten, sondern gegen den Verfassungsminister Ralf Jäger", sagte Röttgen dem Focus.
Jäger sieht sich zu Unrecht beschuldigt. "Im zeitlichen Zusammenhang mit der Auftragsvergabe gab es zwei Spenden", räumte er zwar im Landtagsinnenausschuss vergangene Woche ein. "Einen anderen als einen zeitlichen Zusammenhang zwischen den Spenden und der Auftragsvergabe bei der GfB gab es nicht."
Seine Aussage, er sei Vauth nur auf Parteiveranstaltungen und nie privat begegnet, musste er jedoch nur einen Tag nach der Ausschusssitzung korrigieren. Zweimal habe er ihn doch getroffen: Bei einem Gespräch in dessen Kanzlei sei es um Hilfestellungen für Vauths Landratskandidatur in Viersen gegangen, ein anderes Mal um "eine Rechtsauskunft zu einer Straßenverkehrsangelegenheit".
Bulliger Jurist
Lothar Vauth war jemand, der es weit bringen wollte. Gerade volljährig, zog er 1984 in den Stadtrat Viersens ein, fünf Jahre später in den Kreistag. Der bullige Jurist mit dem Hang zur "dicken Hose" wurde zu einer Größe bei den Genossen am Niederrhein, wozu auch großzügige finanzielle Zuwendungen an diverse Parteiuntergliederungen beigetragen haben sollen.
Der Absturz kam im Frühjahr 2009. Seine Partner in der renommierten Sozietät Dr. Stöber, Oehring und Partner zeigten ihn an. Der Vorwurf an ihren Mitgesellschafter: "gemeinschaftlicher gewerbsmäßiger Betrug, schwere Untreue und Unterschlagung" in Millionenhöhe. Anfang März 2009 legte Vauth alle seine Mandate, Funktionen und Kandidaturen nieder. Seitdem ist er von der Bildfläche verschwunden. Es heißt, er sei schwer erkrankt und befinde sich in einer Klinik.
Das Erstaunliche: Obwohl seine früheren Partner in ihrer 39-seitigen Strafanzeige Vauth vorwarfen, er habe in erheblichen Umfang "verdeckte Parteispenden" geleistet, schrillten bei der zuständigen Krefelder Staatsanwaltschaft offenkundig nicht sofort alle Alarmglocken. Sie hat erst jetzt, also zwei Jahre später, Vorermittlungen im Hinblick auf "einen vermuteten neuen modus operandi einer illegalen Parteienfinanzierung" aufgenommen, räumte Landesjustizminister Thomas Kutschaty (SPD) gestern ein. "Die Sichtung des gesamten Akteninhalts und aller Beweisunterlagen wird unter dem in den Medien besonders diskutierten Blickwinkel einer etwaigen strafrechtlich relevanten Verknüpfung von Aufträgen und Parteispenden vorgenommen", sagte der Minister.
Außerdem teilte Jäger dem Rechtsausschuss des Landtags in einer Sondersitzung mit, dass es gegen seinen Kabinettskollegen Jäger sowie den Krefelder SPD-Landtagsabgeordneten Uli Hahnen und den Bürgermeister der Stadt Moers, Norbert Ballhaus (SPD), inzwischen Vorprüfungen für die Einleitung von Ermittlungsverfahren gebe. Die CDU mutmaßt nun über "ein System in der NRW-SPD, über Aufträge aus öffentlichen Unternehmen und gemeinnützigen Gesellschaften dafür Dankeschön-Spenden für die SPD zu generieren".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner