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■ SPD-Ost und PDS: der Integration des Ostens förderlichLockere Zusammenarbeit

Die PDS – eine verdeckt arbeitende Kommunistentruppe, antidemokratisch, „das Alter ego“ der Rechtsradikalen, ein Objekt für den Verfassungsschutz, 25 Prozent aller Wähler in den neuen Ländern heimliche alte Genossen, die mit der PDS zurückwollen in eine alte neue SED-ähnliche Diktatur – glaubt das wirklich irgend jemand ernsthaft? Mit den politischen Verhältnissen in den neuen Ländern jedenfalls hat das nichts zu tun.

Die Kommunalwahlen vom 12. Juni markieren eine Zäsur im erfolgreichen Prozeß der Wiedervereinigung. Vier Jahre lang haben die Ex-DDR-Bürger in einem leidenschaftlichen Prozeß der Selbstdemokratisierung die Rechts- und Staatsordnung des Grundgesetzes inkorporiert – im learning by doing-Verfahren, sicher mit Hilfe einiger Wessis, aber, insgesamt betrachtet, aus eigener Kraft. Von den Gemeinden bis zu den Landesministerien, von der freiwilligen Feuerwehr, den Zweckverbänden bis zu den Gewerkschaften, Unternehmer- und Interessenverbänden sind, von Ex-DDR-Bürgern angeführt, alle Strukturen einer demokratischen Gesellschaft unkompliziert aufgebaut worden. Eine gewaltige, viel zu gering beachtete politische Leistung.

Das Unterste wurde dabei zuoberst gekehrt. Nichts, was die Lebensgeschichten, die Arbeitsleistung jedes Ex-DDR-Bürgers bestimmt hat, ist geblieben, wie und was es war. Dabei gilt für die Ex- DDR-Bürger, wie für alle anderen, daß Revolutionen ungeliebt sind. Kontinuität, Tradition und Stabilität sind wichtigere Lebensgrundwerte. Alle noch so plausiblen und gut begründeten Reformwünsche werden dagegen nur in historisch glücklichen Ausnahmesituationen akzeptiert und wirksam.

Die revolutionäre Angleichung ihres Lebens an die westlichen Lebenswerte gegen ihre eigenen Lebensgeschichten haben die Ex- DDR-Bürger mit hoher Intensität selbst zustande gebracht. Warum sie das nun auch noch öffentlich gut finden sollen, ist eine politische Zumutung westlicher Ignoranz.

Die Funktionseliten der abgewickelten DDR sind heute weitgehend überprüft. Bis auf die allererste Führungsgarnitur sind sie in den meisten Fällen auf ihren alten oder vergleichbar einflußreichen Posten geblieben. Etwas anderes war politisch auch gar nicht möglich. Diese Funktionseliten sind dort organisiert, wo sie auch zu DDR-Zeiten mehr oder weniger systemtreu mitgewirkt haben – in der CDU, der PDS und der FDP. Sie haben bei den Kommunalwahlen im Juni den Weg zurück ins öffentliche Leben gesucht und gefunden. Diese Entscheidungsträger sind das einzig faßbare und wählbare Element von Kontinuität über die Wende hinweg, ohne die Wende in Frage zu stellen.

Der alte und neue Chefarzt der Gynäkologie im Kreiskrankenhaus (PDS), der Sozialminister des Landes, ehemaliger Kreisarzt und heute FDP-Vorsitzender, oder der ehemalige LPG-Vorsitzende und heute erfolgreiche, hochangesehene Chef einer Agrar-GmbH (CDU), das sind die Repräsentanten der alten und neuen Gesellschaft hier im Osten. Ihnen das persönlich vorzuhalten, dafür mag es moralische Gründe geben, politisch bedeutsam ist es nicht.

Die einzig wirkliche revolutionäre und erfolgreiche Neugründung in den neuen Ländern ist die SPD. Sie hat aus dem politischen Nichts neue Strukturen und Konzepte erarbeiten müssen, mit Menschen, die sich kaum kannten und vorher nie zusammen gehandelt haben. In dieser Hinsicht leistet die SPD den entscheidenden Beitrag zum Erfolg der Wiedervereinigung. Sie erzwingt allein durch ihre erfolgreiche Existenz, mit jeder Rede und jedem gewonnenen Prozent an Stimmen ein Bekenntnis zum Wandel und zum Neuanfang. So betrachtet ist die SPD die Partei der Wiedervereinigung. Ihre durchschnittlich 30 Prozent Stimmen sind eine sichere Barriere gegen nostalgisches, rückwärts gewandtes Verhalten bei den alten Ost-Parteien. Eine Rückkehr zu SED-Staatsdirigismus oder sozialistischen Menschheitsversuchen ist auch deshalb völlig ausgeschlossen. Daß die PDS das auch aus dem alten Westen so sattsam bekannte Ritual linker Organisationen pflegt, den Menschen alles Gute und ewige Gerechtigkeit zu versprechen, ist eher unterhaltsam. In der Praxis unseres Kreistages in den letzten zwei Jahren hat die PDS dennoch konstruktiv und kreativ vielen gemeinwohlorientierten Vorschlägen der Verwaltung gegen die CDU zu Mehrheiten verholfen.

Die alte Bundesrepublik ist – im Rückblick – zuerst mit ihrer mentalen und mörderischen Bindung an die Nazis fertig geworden; dann hat sie ihren fanatischen Antikommunismus überwunden und sich zugleich offen nach Westen orientiert; schließlich wurden über die Grünen die 68er in einer Staatspartei zur konstruktiven Mitarbeit gewonnen. Die Rechtsradikalen sind trotz ihrer ekelhaften Präsenz im öffentlichen Leben in allen neuen Bundesländern ohne jeden politischen Einfluß geblieben. Über zwei Prozent sind sie selten hinausgekommen. Warum also soll die PDS nicht – wie zuvor die Ost- CDU und Ost-FDP – in die wiedervereinigte Republik integriert werden können?

Die PDS vertritt Positionen, die bei Jusos, vielen Gewerkschaftern und vielen Grünen selbstverständlich und für die übrige Gesellschaft in jeder Hinsicht unakzeptabel sind. Was diese Positionen zu ihrer Realitätstaufe brauchen, ist nichts als die klare Luft des Wirkenmüssens in demokratisch kontrollierten Institutionen. Aus lokaler Sicht jedenfalls gibt es überhaupt keinen Grund, der CDU für die nächsten zehn Jahre die neuen Länder zu überlassen. Nur weil sie behauptet, sie habe ein Recht darauf, weil sie schon immer Kohls Positionen geteilt habe. Die Ost-CDU hat mit der West-CDU wenig Gemeinsames. Sie ist, vermutlich noch für lange, eine Ost-Partei. Die Tatsache, daß erst jetzt, im Juni 1994, kurz vor den Kommunalwahlen, bei unserer Kreis-CDU drei führende Kreistagsmitglieder wegen ihrer enttarnten IM-Tätigkeit und ein CDU-Dezernent wegen seiner 18jährigen Stasi-Führungstätigkeit aufgeben mußten, belegt dies.

Wenn die SPD hier in den neuen Ländern mit der PDS eine lockere Zusammenarbeit eingeht, dann gefährdet das nicht den erfolgreichen Prozeß der Wiedervereinigung, im Gegenteil, es treibt die Integration des Ostens in die neue Republik voran. Die SPD könnte aus ihrer Rolle als der Wiedervereinigungspartei im Osten mit einigem Geschick einen strategischen Vorteil gegenüber der CDU für die Politik der Bundesrepublik insgesamt gewinnen. Ob sich die PDS in diesem Prozeß verändert, auflöst oder was auch immer, darüber kann heute nur spekuliert werden. Eine wichtige Fragestellung für aktuelle politische Entscheidungen ist das nicht. Udo Knapp

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