SPD-Ministerin über Lehrerwettbewerb: "Abwerbekampagnen ärgern mich"
Weil zehntausende von LehrerInnen in den Ruhestand gehen, werben die Länder einander Berufseinsteiger ab. Das schadet den Schülern, sagt die rheinland-pfälzische SPD-Ministerin Doris Ahnen.
taz: Frau Ahnen, das Land Baden-Württemberg umwirbt in ganz Deutschland junge Lehrkräfte mit Plakaten, Hessen hat schon im vergangenen Jahr eine ähnliche Kampagne gestartet. Beides sind Ihre direkten Nachbarländer. Haben Sie Angst?
Doris Ahnen: Es gibt einen bundesweiten Arbeitsmarkt für Lehrerinnen und Lehrer, und das ist auch in Ordnung. Aber diese Abwerbekampagnen ärgern mich schon. Das geht zu Lasten der Schülerinnen und Schüler.
Noch mal: Haben Sie Angst, dass Ihnen die jungen Lehrerinnen und Lehrer weggekauft werden?
Ich habe nicht so sehr Angst, dass mir Lehrerinnen und Lehrer weggekauft werden. Aber ich mache mir Sorgen, dass in Bereichen, die besonders eng sind, die Länder in einen ruinösen Wettbewerb eintreten.
An diesem Donnerstag treffen sich die Kultusminister der Länder. Werden Sie sich dort auf eine einheitliche Bezahlung von Lehrern einigen und die Abwanderung so eindämmen?
Wir brauchen eine bessere Abstimmung, was den Lehrerbedarf angeht. Und es muss auch darüber diskutiert werden, ob es einen gemeinsamen Rahmen für die Lehrerbezahlung gibt. Das heißt nicht, dass alles gleich geregelt sein muss. Aber dass man eben nicht mit kurzfristigen finanziellen Anreizen winkt und damit auf die Dauer den anderen Ländern schadet.
Wo fehlen denn bei Ihnen in Rheinland-Pfalz die Lehrerinnen und Lehrer?
Wir kommen insgesamt mit unseren Hochschulabsolventen noch ganz gut hin. Ein Mangel herrscht, wie auch bundesweit, an den berufsbildenden Schulen, aber auch in einigen Fächern an den Gymnasien. Vor allem ist es eng in Physik, Chemie, Mathematik, zum Teil auch in Musik. Dazu kommen regionale Unterschiede. An der Rheinschiene ist es leichter, Stellen zu besetzen, als im Hunsrück oder in der Eifel.
Was tun Sie dagegen?
Seit Mitte der 90er-Jahre haben wir unsere Plätze im Vorbereitungsdienst ausgebaut. Die Zahl der Lehramtsstudierenden ist seit dem Jahr 2001 deutlich angestiegen. Außerdem greifen wir auf mehr Quer- und Seiteneinsteiger zurück als früher.
Das klingt nach dem scharf kritisierten Vorschlag von Bundesbildungsministerin Annette Schavan, die mehr Topkräfte aus der Wirtschaft an den Schulen sehen will.
Mal eine Ingenieurin im Unterricht zu haben ist sicherlich bereichernd. Aber das Problem des Lehrerbedarfs lösen wir doch nicht dadurch, dass Mitarbeiter aus den Unternehmen stundenweise in die Schulen kommen und Physik oder Mathematik unterrichten. Quer- und Seiteneinsteiger sind etwas völlig anderes. Das sind Berufstätige mit abgeschlossenem Studium, die dann aber voll Lehrer werden wollen. Die gehen dann entweder ins Referendariat oder bekommen berufsbegleitend eine pädagogische Zusatzausbildung.
Zahlen über den Lehrermangel in der Zukunft fehlen. Die letzte Berechnung der Kultusminister ist von 2003. Wie groß ist denn das Lehrerloch deutschlandweit?
Das weiß tatsächlich niemand genau. Die Zahlen müssen dringend aktualisiert werden, um besser abschätzen zu können, wie groß der Bedarf ist. Denn in den vergangenen Jahren hat es viele Veränderungen gegeben. Zum Beispiel wurden viele Schulen zu Ganztagsschulen ausgebaut; da braucht man natürlich auch mehr Lehrkräfte.
Es gibt auch Bereiche, in denen herrscht kein Lehrermangel. An den Grundschulen zum Beispiel.
Ja, man kann nicht sagen, dass wir an den Grundschulen zu wenige Bewerberinnen und Bewerber haben. Deshalb ordnen wir auch Grundschullehrer zeitweise an die Orientierungsstufen der Gymnasien ab.
Sie machen Grundschullehrerinnen zu Gymnasiallehrerinnen?
Nein. Sie unterrichten ja nur eine Zeit lang an den Orientierungsstufen, also in der fünften und sechsten Klasse. Und sie machen ihre Arbeit sehr gut.
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