: SPD-Fraktionschef: Mehr Schulden
■ Kabinett sucht verzweifelt nach 900 Millionen Sparpotential
Hannover Das von der SPD-Landesregierung angestrebte Ziel, in der gesamten Legislaturperiode bis 1998 nicht mehr als zehn Milliarden Mark Schulden aufzunehmen, läßt sich möglicherweise nicht erreichen. „Wenn die Einnahmeausfälle so weitergehen wie bisher, werden wir voraussichtlich an einer Neuverschuldung von höchstens zehn Milliarden Mark nicht festhalten können“, sagte der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag, Wolf Weber, am Rande der Sondersitzung seiner Fraktion zur Finanzpolitik.
Weber erklärte, die Abgeordneten berieten derzeit Sparmöglichkeiten für den Haushalt 1996, ohne irgendwelche Bereiche auszuklammern. Erwogen werde, den Kommunen eine halbe Milliarde Mark weniger von den ursprünglich geplanten rund elf Milliarden Mark Landesmitteln in 1996 zukommen zu lassen.
Die SPD-Landesregierung muß für den Nachtragshaushalt 1996 noch eine Finanzlücke von knapp 900 Millionen Mark schließen. Die dafür notwendigen Einsparungen sollen bei einer Klausurtagung in der kommenden Woche beschlossen werden. Das zeichnete sich am Dienstag nachmittagvor der Sondersitzung der SPD-Landtagsfraktion ab. Die Fraktion wollte bei ihren Beratungen nach Angaben ihres Sprechers Steg Einsparungen von 500 Millionen beschließen.
Weitere 500 Millionen sollen bei den Zahlungen an die Kommunen gekürzt werden. Außerdem wird laut Steg über eine Erhöhung der Neuverschuldung um 730 Millionen Mark nachgedacht. Dazu will die Regierung in dieser Höhe allgemeine Zuweisungen für die Verwaltungshaushalte der Kommunen in zweckgebundene Zuweisungen für Investitionen umwidmen. Das Land könnte dann im selben Umfang neue Kredite aufnehmen, ohne gegen die in der Verfassung gezogenen Grenzen für die Neuverschuldung zu verstoßen. Bei einem von Finanzminister Hinrich Swieter (SPD) errechneten „Handlungsbedarf“ von 2,6 Milliarden Mark für den Etat 1996 blieben damit rund 870 Millionen übrig, für die das Kabinett in seiner Klausurtagung Einsparungen finden müsse, meinte Steg.
Der Niedersächsische Städtetag reagierte „mit Besorgnis und Verärgerung“ auf diese Pläne. Sein Präsident Martin Biermann erklärte in Bad Pyrmont, dadurch ergäbe sich ein Minus von mehr als einer Milliarde Mark in den Verwaltungshaushalten der Kommunen. Es werde dann praktisch keine Kommune mehr geben, die noch einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen könne. Der Städtetag könne es nicht hinnehmen, daß die Bemühungen der Städte und Gemeinden um Konsolidierung ihrer Haushalte durch derart massive Eingriffe in die kommunale Finanzausstattung zunichte gemacht würden.
Bei den Etatberatungen der SPD-Fraktion sollte nach Angaben ihres Sprechers „alles auf dem Prüfstand stehen“. Über die Zukunft der Lernmittelfreiheit sollte beispielsweise ebenso diskutiert werden wie über die Umwandlung des bislang einkommensunabhängig gewährten Landesblindengeldes in eine einkommensabhängige Unterstützung. Außerdem lag laut Steg der Vorschlag auf dem Tisch, für die gesamte Landesverwaltung neues Personal nicht mehr im Beamtenverhältnis sondern nur noch als Angestellte mit Zwei-Drittel-Stellen einzustellen. Überlegungen in diese Richtung waren bislang nur für Lehrer bekannt geworden.
dpa
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