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SPD-Europaparlamentarierin"Wir sind nicht durchgedrungen"

Berliner sind keine EU-Muffel, sagt Dagmar Roth-Behrendt (SPD). Brüssel muss sich anstrengen

Interview von Rolf Lautenschläger

Im Interview: 

Die 56-jährige Juristin vertritt die Berliner SPD seit 1989 im EU-Parlament - speziell in der Umwelt-, Verbraucher- und Gesundheitspolitik.

taz: Frau Roth-Behrendt, wie bewerten Sie das schlechte Abschneiden der Berliner SPD bei der Europawahl?

Dagmar Roth-Behrendt: Ich bin sehr enttäuscht.

2004 kam die SPD in Berlin auf 19,2 und jetzt auf 18,8 Prozentpunkte. Was ist der Grund für den erneuten Abrutsch?

Offensichtlich ist es uns nicht gelungen, unsere eigene Wählerklientel davon zu überzeugen, wie wichtig die Europawahl ist und dass das EU-Parlament ebenso bedeutsam ist wie der Bundestag.

Könnte es nicht sein, dass die Berliner SPD-Wähler EU-Muffel sind?

Nein, das denke ich nicht. Die Leistungen der EU, wie Frieden und Solidarität, waren in Berlin immer hautnah zu empfinden und geschätzt. Ich kann mir die geringe Wahlbeteiligung und unseren Stimmenanteil nur so erklären, dass die Wahl zum EU-Parlament nicht ernst genommen wird.

Eigentlich hätten wir selbst ernannten "Weltstädter" unserem Anspruch gerade hier gerecht werden müssen, oder?

Natürlich erhofft man sich mehr Zuspruch. Aber entscheidender ist doch, dass wir nicht durchgedrungen sind, dass die europäische Politik immer auch nationale, heimische für die Bundesrepublik und für Berlin ist. Beispiel neues Fahrgastrecht: Vor rund drei Wochen hat der Deutsche Bundestag dieses Gesetz aus dem EU-Parlament in ein deutsches Gesetz umgesetzt. Seither haben Sie Anspruch auf Rückerstattung von Fahrpreisen bei der Bahn. Alle Zeitungen waren voll davon, alle Politiker des Bundestages redeten daüber. Aber nirgendwo stand, dass dies aus Brüssel kommt. Wir waren der Ursprung. Es braucht mehr Transparenz unserer Arbeit.

Haben Sie bei 35 Prozent Wahlbeteiligung in Berlin überhaupt noch Lust auf Brüssel?

Ich habe noch viel vor im Europäischen Parlament und hoffe, etwas bewegen zu können. Ein Ausstieg, gerade jetzt, käme einer Kapitulation gleich.

INTERVIEW: ROLA

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