SPD-BSW-Koalition in Brandenburg: Gut, dass es die Bayern gibt
Die rot-lila Koalitionspartner geben sich zur ersten Bilanz entspannt. Das ging nur, weil es im Bundesrat auf Brandenburgs Stimmen nicht ankam.

D a saßen sie wie zwei wackere Arbeiter im Weinberg des Herrn, denen die Journalisten irgendwie nur die Zeit stehlen, noch mehr Gutes für Brandenburg zu tun. Er habe vor der Pressekonferenz zur 100-Tage-Bilanz von SPD und BSW gar nicht gewusst, was er da sagen solle, war da in dieser Woche von Finanzminister und BSW-Landeschef Robert Crumbach zu hören. „Außer: Wir arbeiten halt.“ Und Dietmar Woidke, der Ministerpräsident und brandenburgische SPD-Chef, sagte von sich und seinem Nebenmann: „Wir zwei gehören eher zur Generation Handwerker statt Mundwerker.“
Alles paletti also nach knapp dreieinhalb Monaten rot-lila Zusammenarbeit, seit jenem Tag Mitte Dezember, als Woidke, wenn auch erst im zweiten Wahlgang, im Landtag erneut zum Ministerpräsidenten gewählt wurde und danach die bundesweit ersten BSW-Kabinettsmitglieder ernannte? Das zumindest ist die Botschaft, die Woidke und Crumbach rüberbringen wollten.
Dass die CDU das, was SPD und BSW selbst „geräuschloses Regieren“ nennen, als „Friedhofsruhe“ bezeichnet – die beiden scheint es nicht wirklich zu stören. Woidke stellte es so dar, als ob sich da eher im Stillen eine aus der Not geborene Beziehung erst richtig entwickeln würde: Das BSW hatte sich vor der Wahl eigentlich auf eine Oppositionsrolle eingestellt, doch dann fehlte im 88-köpfigen Brandenburger Landtag ein einziges Mandat zu einer SPD-CDU-Koalition.
„Eines kann man feststellen: Eine große Begeisterung gab es damals nicht füreinander“, blickte Woidke vor den Journalisten zurück. Nun aber hat er Stunden vor der auf Dienstag vorgezogenen 100-Tage-Bilanz in der Sitzung der BSW-Fraktion vorbeigeschaut. „Ich habe mich da nochmal ganz persönlich bedankt.“
„Klare Differenzen“ in der Außenpolitik
Das alles hätte mutmaßlich ganz, ganz anders ausgesehen, wenn nicht tags zuvor aus Bayern von der dortigen Koalition aus CSU und Freien Wählern die Nachricht gekommen wäre, dass man im Bundesrat an diesem Freitag für die noch fehlenden Stimmen zur Zwei-Drittel-Mehrheit für die viel diskutierten Sondervermögen sorgen werde. Denn bei aller Nähe und gemeinsamen Arbeitsamkeit mochte auch Woidke nicht verhehlen, dass es „klare Differenzen“ in der Außenpolitik gibt – das BSW lehnt die Aufweichung der Schuldenbremse für mehr Verteidigungsausgaben ab. Für die CDU-Fraktion stellt das BSW deshalb „eine Gefahr für unsere nationale Sicherheit“ dar.
Ob Woidke, der in diesen Tagen seinen Vor-Vorgänger Manfred Stolpe als dienstältesten Ministerpräsidenten des Landes ablöst, ohne diese Zusage auch ganz entspannt davon gesprochen hätte, die Koalition habe für einen solchen Fall „feste Vereinbarungen“? Das bezog sich darauf, dass der Koalitionsvertrag für den Fall unterschiedlicher Haltungen auf Seite 66 eine Enthaltung im Bundesrat vorsieht – wie dann am Freitag auch geschehen.
In der Vorgängerregierung mit CDU und Grünen hatte Woidke sich zwei Mal nicht an solche Vorgaben gehalten. Im November 2024 entließ er sogar kurz vor einer Abstimmung im Bundesrat die damalige Grünen-Ministerin Ursula Nonnemacher, damit die seiner Haltung nicht widersprechen konnte.
Gut möglich also, dass Woidke aus übergeordneten Gründen für das Land Brandenburg mit „Ja“ gestimmt und wie auch immer verhindert, dass Crumbach oder ein anderer BSW-Vertreter im Bundesrat dieses Votum durch Widerspruch ungültig gemacht hätte. Das wäre zwangsläufig das Ende der Koalition gewesen – und die SPD hätte auf einen Parteienwechsler aus den Reihen des BSW hoffen müssen, um dann mit der CDU und einem Sitz Mehrheit im Landtag weiter regieren zu können.
Dieser Kelch, um mal biblisch zu werden, ist nun eben an Woidke und der SPD vorübergegangen. Und weil es die Ausnahme ist, dass sich eine Landeskoalition mit außenpolitischen Fragen beschäftigen muss, dürfte in dieser Hinsicht eine Zeitlang kein Konflikt dräuen. Ob das allerdings so lange gilt, wie es sich BSW-Chef Crumbach vorstellt, ist fraglich. Der war sich bei der 100-Tage-Bilanz „sicher, dass wir auch die nächsten fünf Jahre gemeinsam bewerkstelligen.“
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