SCHULSTREIT: Schulstunde mit Symbolgehalt

Mit dem symbolischen Besuch einer Reform-Grundschule stärkt CDU-Bürgermeister Ole von Beust seiner grünen Schulsenatorin den Rücken. Streit in der SPD um Unterstützung der Primarschulgegner.

Marten lernt Rechnen, Ole Schulreform, Franka Malen und Christa Zuschauen - und das alles friedlich in einem Klassenzimmer (v. l.). So könnte die Schule von morgen funktionieren. Bild: Dpa

Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hat gestern früh die Schulbank gedrückt. Gemeinsam mit der grünen Schulsenatorin Christa Goetsch ließ er sich in der Reformschule Rellinger Straße neue Unterrichtsmethoden erklären. Mit der Visite demonstrierte von Beust, dass er inhaltlich voll hinter dem schwarz-grünen Projekt einer sechsjährigen Primarschule steht, das neben der Verlängerung der Grundschulzeit bis zur sechsten Klasse auch das Recht der Kinder auf individuelle Förderung zum Inhalt hat.

Das Zeichen ist nötig. Erst am Wochenende waren 4.000 Eltern und Kinder mit dem Ruf "Stoppt die Primarschule" durch die City gezogen. Die für Hamburger Verhältnisse eher kleine Demonstration stieß auf ein gewaltiges Medienecho - weil hier die CDU-Wählerklientel protestierte, aber ein Grußwort von der SPD kam. Einige Medien spekulierten schon, der Bürgermeister werde die Reform stoppen. Doch danach hörte sich von Beust gestern nicht an.

"Ich war über die Konzentration der Kinder erstaunt", sagte der Bürgermeister, nachdem er eine halbe Stunde in der Klasse "die Wölfe" zuguckte. In der Rellinger Straße tragen die Klassen Tiernamen. Hier werden die Kinder des 1. bis 3. Jahrgangs zusammen unterrichtet. Als der Bürgermeister kam, waren die Kinder mit individuellen Aufgaben beschäftigt, die in einer Planungsmappe dokumentiert werden. Manche rechneten, andere machten Deutsch oder zeichneten Musikinstrumente, bevor es, zusammen mit dem Bürgermeister, in die gemeinsame Musikstunde überging. "Es war nicht so ein Tohuwabohu, wie man es bei manchen Klassen mit Frontalunterricht erlebt", sagte von Beust.

Hamburg plant eine Doppelreform: Ab 2010 wird die Grundschule um zwei Jahre verlängert und heißt dann Primarschule, erst danach beginnt in Klasse 7 die weiterführende Schule. In den Jahrgängen eins bis sechs soll keine Klasse mehr als 25 Kinder haben. Ebenfalls ab 2010 werden alle Haupt- und Realschulen und alle Gesamtschulen zu Stadtteilschulen umgewandelt. Diese Schulen bieten das Abitur nach 13 Jahren an. Daneben gibt es das Gymnasium mit dem Abitur nach zwölf Jahren. Gegen die Primarschule hat sich unter dem Titel "Wir wollen lernen" eine Volksinitiative gegründet. Ein Netzwerk von Reformgegnern hat bereits erreicht, dass der Landesfachausschuss Bildung der Hamburger CDU ein "Leistungs- und Entlastungspaket" für die Gymnasien fordert. Demnach soll auch dort keine Klasse mehr als 27 Schüler haben.

Eine immer wieder geäußerte Sorge von Eltern ist, dass leistungsstarke Kinder zu wenig gefördert werden, wenn sie zwei Jahre länger auf der Grundschule sind. Für von Beust ist diese Angst nicht begründet. Denn in jahrgangsgemischten Klassen könnten jüngere Kinder problemlos schon Aufgaben lösen, die ihnen im hergebrachten Frontalunterricht erst ein, zwei Jahre später zugemutet würden. Und schwächere hätten länger Zeit zum Lernen.

"Das ist eine Art von Lernen, wie es in der Primarschule stattfinden kann", sagte von Beust. Kinder und Lehrer seien sehr motiviert. Neben der Wissensvermittlung lernten die Kinder hier "sehr früh, das eigene Lernen zu organisieren". Das sei in der heutigen Zeit, wo sich das Wissen ständig erneuere, sehr wichtig. Von Beust versprach, man werde alles dafür tun, damit die Reform räumlich und personell gut ausgestattet ist. "Dat löpt sich alles zurecht. Auch wenn wir im Moment eine schwierige Zeit haben", sagte er mit Blick auf den Elternprotest.

Es gibt unter Hamburgs Eltern auch viele Befürworter der Reform. Ein Bündnis von 17 Elternräten hat sich gerade formiert und wird sich am 4. Mai in besagter Schule Rellinger Straße treffen. "Die Zweifler sind sehr laut", sagte die dortige Elternratsvorsitzende Katrin Koslowski. Dabei gebe es Begeisterung für das Konzept. Kosloski: "Meine Kinder, die hier zur Schule gehen, profitieren sehr davon."

Umfragen zufolge ist eine Mehrheit der Hamburger für die Primarschule, unter SPD-Anhängern sind es sogar 60 Prozent. Der frühere SPD-Landesvorsitzende Mathias Petersen fand es deshalb sehr unpassend, dass die Spitze der SPD-Bürgerschaftsfraktion die Demonstration der Primarschulgegner unterstützte und machte seinem Ärger gestern in einem Gastbeitrag im Hamburger Abendblatt Luft. "Die Primarschule in Hamburg ist ein mutiger Schritt in die richtige Richtung", schrieb Petersen. Auch die Hamburger SPD trete seit Jahrzehnten für längeres gemeinsames lernen ein. "Dass Teile der Führung der Hamburger SPD mit der Initiative gegen die Schulreform marschieren, ist vor diesem Hintergrund nicht vermittelbar."

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