SCHRÖDER TRAF BLAIR. DIE BEIDEN HABEN SICH NICHT VIEL ZU SAGEN: Eine Botschaft ohne Nachricht
Tony Blair war in Berlin. Er ist mit Gerhard Schröder aufgetreten, abends allein bei „Sabine Christiansen“. Es muss ein wichtiger Besuch gewesen sein – keine Routine, ein Symbol. Aber für was? Für eine neue deutsch-britische Achse in Europa, wie die Times meint? Für die Allianz der letzten beiden linken Regierungschefs in einem zusehends rechtsgewendeten Europa? Doch merkwürdigerweise hat dieses so wichtige Treffen keine Nachricht hervorgebracht. Schröder und Blair, meldeten die Agenturen verlegen, haben vor rechtsextremen Parteien gewarnt. Nun ja.
Die Differenz zwischen medialem Auftrieb und inhaltlicher Blässe ist charakteristisch für das Verhältnis von Schröder und Blair. Irgendwie gehört man zur gleichen Familie, aber zu sagen hat man sich nicht viel. Blair verwaltet den Postthatcherismus – doch fern liegt ihm, die konservative Revolution der Achtzigerjahre zurückzunehmen. In Deutschland würde er sich wohl in der FDP zu Hause fühlen. Die Neue-Mitte-SPD klang nach 1998 eine Weile so wie New Labour. Doch das war ein Missverständnis, das seit der neoliberal gefärbten Dritte-Weg-Prosa des Schröder-Blair-Papiers von 1999 offenkundig war. Die SPD was not amused. Seitdem ist der Ton unverbindlich.
Schröder war gut beraten, es dabei zu lassen – auch wenn Blairs Stern nach dem Fiasko seines französischen Amtskollegen Jospin hell strahlt. Denn von nahem besehen ist das britische Modell wenig attraktiv. Blairs Wahlerfolg verdankt sich auch einer bemerkenswert farblosen und in der EU-Frage zerstrittenen Tory-Opposition. Der ruinöse Zustand des Gesundheits- und Verkehrssystem steht in groteskem Gegensatz zu dem unverzagt zukunftsfrohen Blair-Appeal. Die Kluft zwischen Schein und Sein ist bei Blair noch weit augenfälliger als bei Schröder. Und fatal wäre es, wenn Schröder in seiner Not nun wieder den neoliberalen Blair-Sound imitieren würde – damit würde die SPD ihre eigene Klientel verscheuchen.
Schröder hat Blair getroffen und nicht viel gesagt. Keine Nachricht kann auch eine Nachricht sein. In diesem Fall: eine gute. STEFAN REINECKE
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