S-Bahn lädt Kunden in die Werkstatt: Tag der offenen Reparatur

Nach über einem Jahr Chaos will die S-Bahn ihre Fahrgäste bei einem Tag der offenen Tür in einer Werkstatt endlich informieren. Doch die wollen es gar nicht so genau wissen.

S-Bahn in Grünau: Tag der offenen Reparatur Bild: dpa

Der ältere Herr ist nervös. Immerhin darf er die erste Frage stellen. Seine Stimme zittert leicht, als er ins Mikrofon spricht. "Mich interessiert vor allen Dingen: Wann fahren die Panorama-S-Bahn und zum Beispiel der Weihnachtszug wieder", sagt der 82 Jahre "Bahner", wie er sich selbst nennt, und schaut S-Bahn-Chef Peter Buchner fragend an. Der steht auf der Bühne, lehnt an einem Stehtischchen und atmet erst einmal durch. Dann antwortet er, dass zunächst die Alltagszüge wieder fahren müssten, danach kümmere sich das Unternehmen um die historischen Bahnen.

Sie haben es Buchner leicht gemacht, die tausenden Gäste beim öffentlichen Fest in der Betriebswerkstatt Grünau am Sonntag. Keine unangenehmen Fragen, keine Buhrufe für den vor gut einem Jahr ins Amt gekommenen Manager. Stattdessen verzichten die Gäste auf Nachfragen, auch wenn die Platitüden ganz schlimm werden, und spenden schon vor den ersten Worten Buchners freundlichen Applaus.

Ende Juni 2009 zog das Eisenbahnbundesamt 380 Wagen aus dem Verkehr, nachdem bei einem S-Bahn-Zug ein Rad gebrochen war. In der Folge fielen massenweise Züge aus, fuhren mit weniger Wagen oder waren verspätet.

Wenige Tage danach musste die komplette Unternehmensführung gehen. Neuer Chef wurde der Niederbayer Peter Buchner, der von der Bahntochter DB Regio kam.

Seinen Aussagen nach sollen bis Jahresende wieder 500 Züge im Einsatz sein. Derzeit rollen 416 Züge. Im kommenden Jahr sollen sie in voller Länge fahren.

Stammkunden sollen in diesem Jahr im November und Dezember kostenlos fahren; außerdem gelten während dieser Zeit an den Wochenenden Einzel- als Tagestickets. Die Entschädigungen lässt sich die S-Bahn 70 Millionen Euro kosten. pez

Es hätte auch anders sein können beim ersten großen öffentlichen Auftritt des S-Bahn-Chefs. Mehr als ein Jahr nach Ausbruch des Chaos auf Berliner Schienen fahren längst nicht alle Züge wieder im Takt oder in voller Länge. Im Winter ist es der S-Bahn zu kalt, im Sommer zu heiß, und eine Posse jagt die nächste. "Wir möchten unseren Gästen die Chance bieten, nachvollziehen zu können, warum die Rückkehr zum Normalbetrieb so außerordentlich viel Zeit braucht", hat Buchner vorab angekündigt. Daher würden die Reparateure aus Grünau einen Tag nur in der Werkstatt Schöneweide arbeiten, Bahn-Freaks und -Kritiker könnten einen Tag durch die Werkstätten in Grünau spazieren.

"Das ist schon spannend, mal so einen Reparaturzug von innen zu sehen", sagt Wilhelm Blankenburg. Der ältere Herr aus Niederschöneweide interessiert sich für die S-Bahn, deswegen habe er sich den Betrieb anschauen wollen. "Stellen Sie sich vor, da passt ein ganzer Kran rein in so einen Zug!" Blankenburg steht für die eine Hälfte der Besucher: In fortgeschrittenem Alter, männlich und mit der untergehakten Ehefrau im Schlepptau. Aus ihren Reihen kommen Fragen etwa nach einem Neustart für das Jazzfest im Betriebsbahnhof Schöneweide, auf die Buchner antwortet: "Erst Züge reparieren, dann Musik hören."

Die andere Hälfte sind Menschen wie Jacqueline Seel. "Ich habe nicht so richtig verstanden, warum das Chaos so lang dauert", bekennt sie, schränkt aber ein: "Mein Sohn hatte gleich so einen Hunger, jetzt müssen wir erst einmal eine Bratwurst essen." Während der zwei Jahre alte Elias gewissenhaft die Wurst in Stücke reißt und auf dem Tisch verteilt, hört die Mutter dem S-Bahn-Chef auf der Bühne zu. "Was erzählt der für Märchen", sagt sie leise zu sich selbst. Mit Erkenntnisgewinn rechnet Seel nicht an diesem Tag, für sie ist es ein Familienausflug.

Die S-Bahn bedient die Erwartungen: Auf einem Eisenbahnteppich können Kinder Züge fahren lassen, eine Draisine fährt auf einem 50-Meter-Gleis hin und her, es gibt Stopp-Schilder, deren Stiel mit essbaren Kugeln gefüllt sind. Kritische Aufklärung? War da etwas?

"So ernst darf man das nicht nehmen, das ist doch nur eine Kundenpflege-Aktion", weiß Daniel Boldt. Er ist aus Rangsdorf gekommen, ebenfalls seinem Sohn zuliebe. Der Fünfjährige will Züge sehen. Viel Neues habe er nicht erfahren, gibt Boldt zu. "Aber die Preise für Speisen und Getränke haben mich überrascht", sagt er. "Echt kundenfreundlich, ein Euro fünfzig für einen Becher Fanta."

Auf der Bühne muss schließlich der Moderator nachfragen, warum das Reparieren nun so langere dauere. Buchner spricht über Probleme bei Rädern und die Konzernstrukturen, die neu ausgerichtet werden müssten. "Es gibt keine so einfachen Erklärungen, das macht es so kompliziert", sagt er und zeigt Verständnis für alle, die es nicht verstanden haben. "Ich weiß, dass Sie die Antwort nicht befriedigen kann, aber wir sind ja dazu da, miteinander ins Gespräch zu kommen." Freundlicher Applaus.

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