S-Bahn-Chaos: Der S-Bahn Leid, der BVG Freud
Berlin hat der S-Bahn wegen schlechter Leistung seit 2008 125 Millionen Euro weniger bezahlt als geplant. Geld, mit dem die BVG ausgebaut wird.
Für die unzähligen Fahrgäste, die in den letzten Jahren auf den Bahnsteigen Berlins standen und mit Blick auf die Uhr die Unzuverlässigkeit der S-Bahn verfluchten, mag es ein schwacher Trost sein, aber das S-Bahn-Chaos hat auch etwas Positives. Das Land Berlin hat 2004 einen Vertrag mit der S-Bahn Berlin geschlossen, der besagt, dass die S-Bahn für die Beförderung der Fahrgäste 236 Millionen Euro jährlich bekommt. Weil sie das schon seit 2008 nicht mehr in dem vertraglich zugesicherten Umfang schafft, behält das Land seither Jahr für Jahr Geld ein.
Knapp 125 Millionen Euro hat die öffentliche Hand so eingespart. Der Senat hat beschlossen, das einbehaltene Geld in den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) Berlins zu stecken - also den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) zu geben. So können dank der Unzuverlässigkeit der S-Bahn etwa U-Bahnhöfe behindertengerecht ausgebaut, Straßenbahnlinien saniert und U-Bahn-Wagen aus den 70ern modernisiert werden. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Maßnahmen derzeit noch in Planung. "Wenn zusätzliche Gelder genehmigt werden, muss natürlich neu geplant werden", sagt BVG-Sprecherin Petra Reetz. Die Realisierung der meisten Projekte sei eine länger währende Sache.
Bereits fertiggestellt sind die Aufzüge an den U-Bahnhöfen Otisstraße, Scharnweber- und Uhlandstraße, Britz-Süd und Kaiserin-Augusta-Straße, die von den für 2008 einbehaltenen 5,2 Millionen Euro gebaut wurden. Weitere 7 Millionen sollen noch in den barrierefreien Ausbau der BVG fließen. Innerhalb dieses Jahres soll laut Reetz damit begonnen werden, die Gleise der Sraßenbahnlinie M 68 zu sanieren - zusammen mit dem barrierefreien Umbau der M-68-Haltestellen sind hierfür 9 Millionen Euro geplant - und den Umsteigebereich zwischen Straßenbahn und S-Bahn an der Landsberger Allee neu zu gestalten (2 Millionen Euro eingeplant).
Die Sicherheit am U-Bahnhof Kottbusser Tor soll unter anderem durch die Installation von Videokameras erhöht werden. Auch die marode Treppe, die dort zur U 1 führt, wird renoviert. Beides zusammen ist mit 4 Millionen Euro veranschlagt. Der Umsteigepunkt zwischen U-Bahn und Bus in Rudow, wichtig für die Anbindung an den Flughafen BER, soll für 5 Millionen Euro umgebaut werden.
Richtig tief in die Taschen will das Land für die Instandsetzung der U-Bahn-Werkstätten Grunewald (12 Millionen Euro) und Friedrichsfelde (4 Millionen Euro) greifen. Für insgesamt 12,5 Millionen Euro sollen U-Bahn-Fahrzeuge aus den 70er Jahren modernisiert werden. Für die zusätzliche Beschaffung von Straßenbahnfahrzeugen sind 9 Millionen Euro eingeplant.
Jens Wieseke vom Fahrgastverband Igeb findet es zwar richtig, die S-Bahn-Gelder in den ÖPNV zu investieren, kritisiert die beschlossenen Maßnahmen aber dennoch: "Es handelt sich zum Großteil um Projekte, die das Land ohnehin hätte durchführen müssen. Warum muss zum Beispiel das Geld für die Betriebswerkstätten aus diesem Fonds fließen?" Man hätte mit den Geldern auch ein richtig großes Projekt beginnen können: So komme etwa der Neubau von Straßenbahnstrecken zu kurz und das ÖPNV-Netz könne man noch stärker ausbauen. Auch hätte er sich gewünscht, dass der Regionalbahnhof in Köpenick so ausgebaut wird wie der in Spandau.
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