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Rybakow und Rasputin

1400000 Exemplare, 50 Rubel auf dem Schwarzmarkt, das sind zwanzigmal der Preis im Buchhandel, Lieferfristen von mehr als einem Jahr, hunderte von Theatern, die die Bühnenfassung aufführen wollen, zahllose Anforderungen (auch aus den USA) für die Filmrechte. Das ist der überwältigende Publikumserfolg von Anatolij Rybakows „Die Kinder vom Arbat“. Die bekannteste „reaktionäre“ intellektuellen Zeitschrift 'Nas Sovremennik‘ (Unser Zeitgenosse) führt eine wütende Kampagne gegen Rybakow und sein Buch.

In 'Nas Sovremennik‘ schreiben Autoren wie Valentin Rasputin neben unbekannten grobschlächtigen Provinzliteraten, die aber alle durch den nationalistischen Glauben an das große - auch antisemitische - Rußland verbunden werden. Diese Gruppe scheint Solschenizyn, der ja auch aus Stalin die zentrale Figur eines seiner Romane gemacht hat, dem Juden Rybakow vorzuziehen. Viktor Astafjew, ein ebenso begabter Autor wie unkluger Polemiker, hat Solschenizyn wieder in die Gesellschaft der sowjetischen Literatur aufnehmen wollen: „Ich möchte nicht, daß meine Enkel an sein Grab gehen müssen, um ihn um Verzeihung zu bitten, wie ich habe an das Grab eines anderen großen, in die Emigration gezwungenen Schriftstellern, Iwan Bunin, gehen müssen.“ Rybakows Hauptfeind ist freilich (neben der bekannten Neostalinistin Nina Andrejewna und dem ehemaligen Chrustschowianer Jurij Bondarew) Valentin Rasputin. „Statt sich mit Stalin zu beschäftigen, sollte Rybakow sich um Kaganowitsch kümmern“, hat er erklärt. Kaganowitsch, rechte Hand Stalins, war Jude und ist eine der beliebtesten Zielscheiben der Pamjat-Gruppe. Sie beschuldigt ihn, das alte russische Moskau nach diabolischen zionistischen Plänen umgepolt zu haben. Rybakow antwortet darauf: „Rasputin sollte sich mehr um Pureskewitsch kümmern.“ Pureskewitsch ist ein bekannter Vertreter der extremen Rechten zu Beginn des Jahrhunderts, berühmt vor allem durch seine Beteiligung an der Ermordung Rasputins. Des richtigen, des schwarzen Mönches.

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