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Russlands PresseAuszeichnung für Putin-Kritiker

Oppositionelle Journalisten erhalten einen staatlichen Medienpreis - darunter Michail Beketow, der bei einem Angriff fast getötet worden wäre. Kritiker sprechen von Zynismus.

Demonstration in Moskau im November 2008 gegen den Angriff auf den Umweltjournalisten Michail Beketow. Bild: ap

BERLIN taz | Russlands Noch-Regierungschef und künftiger Präsident Wladimir Putin hat plötzlich sein Herz für regimekritische Journalisten entdeckt: Anfang der Woche wurden zehn Medienmacher, die ihre Aufgabe nicht darin sehen, die Kremlpropaganda nachzubeten, mit dem diesjährigen Preis der Russischen Föderation in der Sparte Print ausgezeichnet. Die mit insgesamt 24.378 Euro dotierte Ehrung gehe "an Vertreter der Massenmedien, die bedeutende künstlerische und professionelle Leistungen erbracht und sich um die Gesellschaft verdient gemacht hätten", hieß es zur Begründung.

Einer der Preisträger ist der Journalist Michail Beketow aus dem Moskauer Vorort Chimki. Anfang 2007 hatte der heute 53jährige die Zeitung Chimskaja Pravda gegründet und sich vor allem durch eine kritische Berichterstattung über Korruption in der örtlichen Verwaltung sowie den geplanten Bau einer Autobahn durch den Wald von Chimki einen Namen gemacht. Im Mai desselben Jahres zündeten Unbekannte Beketows Auto an. In einem Interview mit dem Fernsehsender REN TV bezeichnete er den Vorfall als "politischen Terror" und nannte in diesem Zusammenhang den Bürgermeister von Chimki, Wladimir Strelschenko, als Auftraggeber. Dieser klagte daraufhin wegen Verleumdung

Im Herbst 2008 wurde Beketow von unbekannten Tätern zusammengeschlagen und dabei schwer verletzt. In den darauffolgenden Monaten wurde er mehrmals operiert - ihm mussten drei Finger und ein Bein amputiert sowie Knochensplitter aus dem Gehirn entfernt werden. Seitdem sitzt er im Rollstuhl und leidet immer noch unter Sprachstörungen. Die Täter wurden nie ermittelt. 2010 wurde der nunmehr Schwerstbehinderte im Verfahren wegen Verleumdung des Bürgermeisters von Chimki zu einer Geldstrafe verurteilt, dann aber in zweiter Instanz freigesprochen.

Mitstreiter von Beketow reagierten distanziert auf dessen Auszeichnung. Evgenija Schirikowa, Umweltaktivistin in Chimki, verwies auf Beketows letzten Artikel vor dem Überfall unter dem Titel "Das Urteil über den Wald von Chimki ist gesprochen". Dort hatte er erneut über Korruption in Zusammenhang mit dem geplanten Autobahnbau berichtet. Den Preis bezeichnete sie als "einen Ausdruck von Zynismus".

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