Russland: Beresowski unter Druck
Mit einem Haftbefehl in Brasilien und einem Schauprozess in Moskau eröffnet die Kreml-Elite das juristische Sperrfeuer auf den millardenschweren russischen Exilanten.
MOSKAU taz Ein brasilianisches Gericht hat gegen den russischen Oligarchen Boris Beresowski Haftbefehl erlassen. Dem im Londoner Exil lebenden Finanzmogul werden Geldwäsche und unsaubere Finanzmachenschaften vorgeworfen. Beresowski ist einer der Mitbegründer der Investmentgruppe MSI (Media Sports Investments), die seit 2004 den vierfachen brasilianischen Fußballmeister Corinthians São Paulo sponsort. Die Finanzmanipulationen sollen angeblich über die Bankkonten des Sportvereins gelaufen sein. Auch die Konten der Investmentgruppe wurden eingefroren. Nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Interfax ist der brasilianische Haftbefehl erst der Auftakt einer Reihe von weiteren Auslieferungsgesuchen auch anderer europäischer Länder. Interfax nannte aber keine Quellen.
Bereits im Mai 2006 war Beresowski in São Paolo von der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit den Transaktionen der MSI vernommen und vorübergehend an der Ausreise gehindert worden. Russische Medien verbreiteten damals die Version, der Oligarch sei wieder auf freien Fuß gesetzt worden, nachdem er Investitionen in Brasilien versprochen hatte.
Derartige Gerüchte sind allerdings mit Vorbehalt zu behandeln. Denn nach der Übernahme des Präsidentenamtes durch Wladimir Putin avancierte Beresowski zum Intimfeind der herrschenden Elite in Moskau. 2000 setzte sich der 61-Jährige ins britische Exil ab. Mehrere Auslieferungsgesuche wies das Königreich bislang zurück, da sie europäischen Rechtsstandards nicht entsprächen. Der superreiche Russe erhielt in England auch politisches Asyl.
Für Russlands politische Führung avancierte Beresowski daraufhin zum Inbegriff allen Übels. Parallel zum brasilianischen Haftbefehl hat in Moskau ein Prozess gegen den Tycoon begonnen - wegen vermeintlicher Unterschlagung von 214 Millionen Rubel der staatlichen Fluggesellschaft Aeroflot, die über zwei Schweizer Unternehmen gelaufen sein soll. Beresowski verbot seinen Anwälten, an dem Prozess teilzunehmen, der nichtöffentlich stattfindet. Der vom Gericht bestimmte Pflichtverteidiger zeigte unterdessen kein Interesse an dem Fall. Ihm sei das "wurscht", sagte er der russischen Presse.
Überdies laufen noch drei Strafverfahren wegen Extremismus und Aufruf zum Staatsstreich gegen den Oligarchen. Er hatte in englischen Medien die Russen aufgerufen, dem Beispiel der Ukraine zu folgen: Dort zwangen Massenproteste 2004 die korrupte Regierung zum Rücktritt. Die Ermittlungen in diesem Fall leitet der Inlandsgeheimdienst FSB, der auch davon ausgeht, dass der Exilrusse den Poloniummord an dem russischen Agenten Alexander Litwinenko im letzten Jahr in London zu verantworten habe. Die britischen Behörden haben wegen des Mordes die Auslieferung des russischen Ex-Agenten Andrej Lugowoi beantragt, was Russland ablehnt. Dieser Tage wird über eine bevorstehende Welle gegenseitiger britisch-russischer Diplomatenausweisungen spekuliert.
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