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Russland und der KaukasuskriegVerspielte Glaubwürdigkeit

Russlands Angriffe auf Georgien isolieren Moskau international - und offenbaren die Schwäche des neuen Kremlchefs.

Einer redet, einer hört zu: Das Duo Medwedjew-Putin. Bild: dpa

BERLIN taz Indem russische Kampfjets Ziele in Zentralgeorgien und den Schwarzmeerhafen Puti angegriffen haben, macht Russland deutlich, dass es um mehr geht als um die Aufrechterhaltung des Status quo in den separatistischen Republiken Südossetien und Abchasien. Moskaus Begründung, russische Bürger zu schützen, greift angesichts dieser Attacken nicht mehr. Auch die Frage, wer den Konflikt vom Zaun gebrochen hat, wird durch die Kriegshandlungen nebensächlich.

Russland führt einen Angriffskrieg auf fremdem Staatsgebiet. Der Kreml und die russischen Militärs mögen sich von den Aussichten eines kurzen und siegreichen Feldzuges blenden lassen. Langfristig wirkt sich die Eskalation der Gewalt im russischen Vorhof eher nachteilig auf die reklamierte Führungsrolle Moskaus in der Region aus. Georgien ist bereits aus dem Bündnis ausgeschieden, Aserbaidschan betont seine Neutralität, sucht aber eher die Nähe zum Westen. Auch der einst treue Vasall Armenien begegnet Moskau zunehmend mit größeren Vorbehalten. Der Glaubwürdigkeit Moskaus als einer modernen Vormacht in der GUS ist dieser Krieg nicht zuträglich. Auch die Ukraine wird sich wie Georgien noch entschiedener der Nato zuwenden. Der anvisierte Beitritt der Ukraine und Georgiens zur Nato ist einer der Gründe für das unwirsche Auftreten Moskaus in den vergangenen Jahren.

Sollte überdies Russland Südossetien und Abchasien annektieren, wäre dies ein Verstoß gegen das geltende Völkerrecht. Russland, so sieht es aus, will jetzt mit den USA, an deren rücksichtloser Interessenpolitik es sonst Kritik übt, gleichziehen. Moskau beansprucht, eigene Interessen gegen gültiges Recht durchzusetzen. Das politische Konzept der sogenannten souveränen Demokratie bereitete dafür den ideologischen Boden. Die zugrunde liegende These ist einfach: Wir handeln nach unseren Interessen und diese haben in unserem Verständnis Rechtsstatus. Gehen wir mit anderen Völkern pfleglich um, ist dies unsere freie Entscheidung und keine verbindliche Maxime. Damit wechselt Russland endgültig ins Lager der antiwestlichen Kräfte.

Wenn sich Russland von Georgien in diese Richtung drängen lässt, weist dies eher auf Schwäche denn auf Stärke der wiedererstarkten Großmacht hin. Moskau beschreitet weiterhin außenpolitisch den Kurs der Isolation. Die Parteigänger des Kreml in Paris, Rom und Berlin dürften es schwer haben, das expansionistische Streben als eine Schutzmaßnahme russischer Interessen auszulegen. Letztlich ist eingetroffen, wovor kritische Beobachter in der Putin-Ära immer gewarnt haben: Russland scheitert an der inneren Modernisierung und versucht die Schwierigkeiten - wie seit Jahrhunderten - durch Expansion und die Schaffung künstlicher Feindbilder zu kompensieren. Mit dem Krieg in Georgien antwortet der Kreml denn auch auf innenpolitische Probleme. Seit Monaten kursieren in Moskau Gerüchte, dass eine Fraktion der Hardliner in der Sicherheitskräften an Szenarien eines bewaffneten Konfliktes im Kaukasus bastele. Schon vor den Präsidentschaftswahlen im März sollen Teile der Sicherheitselite die Möglichkeit eines Konfliktes erwogen haben, um den machtpolitischen Status quo zu sichern.

Gleichzeitig offenbarte der Konflikt, wie schwach und einflusslos der neue Kremlchef Dmitri Medwedjew ist. Alternative Konfliktlösungen bot er nicht an und scheint auch dem herkömmlichen imperialen Paradigma verhaftet zu bleiben. Hoffnungen im Westen, er würde eine versöhnlichere außenpolitische Linie vertreten, waren wohl verfrüht. Aus dem Konflikt wird Moskau weder in Georgien noch international Gewinn ziehen können. Im Falle eines Waffenstillstandes kann Russland nicht mehr darauf bestehen, das Mandat der Friedenstruppe wieder aufzunehmen. Entweder müsste Russland sich ganz zurückziehen - oder als Besatzungsmacht im Land bleiben.

Mit dem Feldzug sendet der Kreml aber auch Signale an die Separatisten im eigenen Land. Moskaus Haltung zur territorialen Integrität ist nicht prinzipiell, sondern eine Frage der "Souveränität".

Auch die strikte Ablehnung der Unabhängigkeit des Kosovo erscheint jetzt in einem anderen Licht. Bislang nutzte Moskau die abtrünnigen Republiken als Hebel, um Georgien zu destabilisieren. Im Kriegszustand verlieren diese Hebel ihre Kraft.

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11 Kommentare

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  • PV
    Peter v. K.

    Wirklich eigenartig, wie sich die offiziellen und die medien plötzlich auf die seite georgiens schlagen. der russische gegenschlag ist völlig überzogen, imperialistisch und von klaren, längst vorher festgelegten zielen geprägt. allerdings - was hat der saakaschwili mit seiner völlig hirnverbrannten aktion denn zu erreichen gehofft? wenn ich in den tigerkäfig steige und dem tiger in den arsch trete, erwarte ich dann, dass er höflich zur seite rückt? rabäähh, der böse tiger will mich beißen! es war eine ganz hinterlistige strategie, im schatten der eröffnung jener spiele schnell mal eben fakten zu schaffen. und das nicht zimperlich! und siehe da, o wunder, hat nicht hingehauen! wie peinlich und erbärmlich jetzt die rufe nach der uno und internationaler intervention! die parteien da unten sind beide gleichermaßen ekelhaft und hinterlistig, nur haben sie unterschiedlich große waffenarsenale.

    es erinnert wirklich stark an den sandkasten.

  • T
    Trollo

    eigentlich erinnern die meisten argumente hier un in anderen diskussionen an meine gute alte sandkastenzeit.

    besonders die argumentationslinie kosovo-ossetien. entwedern verstößt bzw. verstieß die anerkennung eines unabhängigen kosovos gegen geltendes völkerrecht - und, um das klar zu stellen, der meinung bin ich durchaus - dann ist das russische vorgehen in georgien (souveräner staat, ossetien teil dessen....)inakzeptabel oder man muß dem kosovo das gleiche recht einräumen, was die russische führung bisher nicht gemacht hat.

    aber die ausführung getreu der gleichung unrecht+unrecht=recht kann doch kein vernunftbegabter mensch für voll nehmen! der fall kosovo kann jedenfalls nicht zur legitimierung der vorgänge in georgien herangezogen werden und im gleichem atemzug selbst als illegtim dargestellt werden. wer so argumentiert räumt sein eigenes fehlverhalten ja ein und erkennt es auch noch an...

    ...dann doch lieber wieder im sandkasten um kuchenformen kloppen und sandburgen zertreten....

  • GD
    Gerhard Deml

    @Martin

    Dieser Völkermord war eben alles andere als klar; nicht jede Diskriminierung oder Unterdrückung rechtfertigt gleich militärische Intervention. Diese "hat jeden Anspruch verspielt"-Rhethorik ist eben genau die ost-westliche Heuchelei, mit der, sei es durch die SU, die USA, EU, Russland oder China oder ..., im Namen der vorgeblichen Menschlichkeit dem Anderen jegliches Recht, oft incl. sein Menschsein, abgesprochen wird, denn: WIR haben immer recht, DIE sind prinzipiell die Bösen und haben außerdem auch angefangen, "klarer Fall".

    Deswegen durfte dann auch die NATO Beograd oder die Voivodina (incl. der ungarischen Minderheit, "die Serben" haben ja bekanntlich seit 1914 "jeglichen Anspruch verspielt", selbst wenn sie gar keine Serben sind) humanitär bombardieren, damit stoppt man nämlich genauso gut einen Völkermord hunderte von Kilometern weiter südlich. Und genauso humanitär schützt jetzt Russland seine Bürger in Südossetien durch Bomben auf Tbilisi oder durch Blokade georgischer Häfen, es gibt nämlich nix besseres für Frieden und sozialen Fortschritt als Bomben auf Leute, die sich garantiert nicht wehren können.

    Klarer Fall

  • A
    Anton

    "Verspielte Glaubwürdigkeit" und

    "Russlands Angriffe auf Georgien... " Oh je, lieber Autor. Da würfeln Sie aber ganz schön Ursache und Wirkung durcheinander. Nach objektiven Meldungen ist Georgien der Angreifer. Nicht Rußland. Und dieses Georgien wurde von den USA hochgerüstet und vom Westen (nicht wahr, Herr Außenminister?) hofiert. Die USA haben Soldaten in Georgien. Wenn hier jemand erneut seine eh nicht mehr vorhandene Glaubwürdigkeit verspielt hat, dann unsere ach so demokratisch gesinnten westlichen Politiker. Aber das eignet sich dann nicht so gut zum abreagieren offensichtlich vorgefertigter Meinungen des Autors. Also lieber das seit Jahrzehnten gepflegte Bild vom bösen Rußland am Leben erhalten...

  • M
    Martin

    @Carl Matthias Scheel

     

    Das Vorgehen der Serben im Kosovo in den 1990er Jahren war ein klarer Fall von Völkermord!

    Die Serben haben damit jeglichen Anspruch darauf verspielt, dass das Kosovo bei Serbien bleibt.

    Russland will sich nun an der Nato rächen, weil es zusehen muss, wie die Zwangsmitglieder seiner ehemaligen "Sowjetunion" sich gen Westen verabschieden und statuiert ein Exempel an Georgien.

    Der moralische Zeigefinger des Herrn Carl Matthias Scheel bleibt angesichts dessen im Morast stecken.

  • CM
    Carl Matthias Scheel

    Die Anerkennung eines eigenen Staates Kosovo war ein klarer Bruch des Völkerrechtes!

    Die NATO Länder haben Ihr schriftlich gegebenes Wort gebrochen das Kosovo bei Serbien verbleibt.

    Warum soll Russland so etwas nun nicht auch tun?

    Der moralische Zeigefinger des Westens bleibt angesichts des eigenen Verhaltens im Morast stecken.

  • K
    Knt

    "Die zugrunde liegende These ist einfach: Wir handeln nach unseren Interessen und diese haben in unserem Verständnis Rechtsstatus. Gehen wir mit anderen Völkern pfleglich um, ist dies unsere freie Entscheidung und keine verbindliche Maxime."

    Wieso wechselt Russland damit ins "Lager der antiwestlichen Kräfte"? Doch eher ins "prowestlich Lager" den genau DASmacht der Westen doch schon immer - allen vorran die USA!

     

    Ja es ist schade, das es scheint als ob Russland sich dieser verwerflichen Maxime anschließt. Aber ich hoffe darauf, das dies dem Westen einmal die eigene Doppelmoral vor Augen führt - und vielleicht die proggresiven Kräfte in Europa dazu bringt sich wehement für eine Multipolare Weltordnung einzusetzen.

     

    Wenn schon der UN-Botschafter USA, Zalmay Khalilzad sagt "Die Tage, in denen in Europa eine Regierung mit militärischer Gewalt abgelöst werden kann, sind vorbei." dann muss es doch auch bei den vergleichsweise intelligenten europäischen Politikern *KLICK* Machen!

  • S
    Sven

    Manche Dinge ändern sich eben nie...

     

    Antiwestlich steht in dem Artikel?

    Ich finde das mehr als prowestlich, wenn man das Vorgehen Russlands, mit dem der USA im Irak vergleicht.

  • R
    Rainer

    Nicht Russland verspielt seine Glaubwürdigkeit sondern vielmehr Herr Donath.

     

    Die wesentliche Frage, nämlich wer oder was Mr. 96% Sakaschwili dazu bewogen hat, die Haupstadt Südossetiens mit Granatwerfern anzugreifen und dabei massenhaft Unbeteiligte zu massakrieren, wird garnicht erst gestellt.

     

    Vielleicht weil Israel massiv in diesem Konflikt involviert ist?

    www.haaretz.com/hasen/spages/1010187.html

  • KS
    Konstantin Schneider

    Russland will Georgien nur einen Denkzettel erteilen in diesem wahrscheinlich auf ca. 5 Tage befristetem Krieg. Und so paradox es klingen mag, mit der Russland unterstellten antiwestlichen Tendenz, stärkt es seine eigenen demokratischen Möglichkeiten, weil so auch der Westen weiter daran wird arbeiten müssen, von Russland unabhängiger zu sein, ohne sich deswegen wieder an die Amerikaner zu hängen, ausser Obama gewinnt eben doch die Präsidentschaftswahlen.

     

    Dass sich Russland derzeit wie ein neureicher Rüpel aufführt, ist ein Teil seiner Entwicklung. Man kann ihm aber auch nicht vorwerfen, dass es sich nicht wie ein Entwicklungsland hat ausbeuten zu lassen. Denn als Putin Chodorchowski wegen Steuerhinterziehung verhaften liess, verhinderte erdamit natürlich den leichten Zugriff der Amerikaner auf russisches Öl und Gas.

  • D
    degruyter

    Interessanter, kluger Kommentar ! Glückwunsch !