Russland nach den Wahlen: Kommunisten in Kampfeslaune

Russlands KP-Chef Gennadi Sjuganow und seine Truppe demonstrieren gegen Wahlbetrug und denken daran, auf ihre Mandate in der Duma zu verzichten

Fühlt sich betrogen: Kommunisten-Chef Gennadi Sjuganow Bild: ap

MOSKAU taz "Onkel Sju" gibt sich dieser Tage kämpferisch. Sju ist kein Chinese, aber Kommunist. Hinter dem Spitznamen verbirgt sich der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Russlands (KPRF), Gennadi Sjuganow. 14 Jahre steht er an der Spitze der KPRF und zählt zu den Dinosauriern im Geschäft. 11,6 Prozent erhielten die Kommunisten bei den Dumawahlen. Viel zu wenig, behaupten die Funktionäre. Nach eigenen Daten hätte die Partei mindestens zwischen 20 und 25 Prozent erhalten müssen. Die KP will nun gerichtlich eine zweite Zählung der Stimmzettel erwirken.

Gestern demonstrierten in Moskau einige Dutzend Parteimitglieder gegen den Wahlbetrug. Auch in Machatschkala, der Hauptstadt Dagestans, gingen Genossen auf die Straße. Die nordkaukasische Republik war einst die Hochburg der Kommunisten. Dort soll die Partei am Sonntag nur ganze 8 Prozent erreicht haben. In der Tat kann es da nicht ganz mit rechten Dingen zugegangen sein. Auch Fälschern sei empfohlen, ethnische Besonderheiten nicht ganz außer Acht zu lassen.

Sollte es zu Wahlbetrug kommen, hatte Sjuganow vor der Dumawahl gewarnt, würden seine Kommunisten mit Streiks und Barrikaden antworten. Das ist bisher ausgeblieben. Es darf aber als eine besondere Ironie der Geschichte verstanden werden, dass ausgerechnet die Kommunisten nun in die Rolle von Stoßtrupps gegen Wahlfälschung und Einparteienherrschaft gedrängt werden. Eigentlich wollten die von biologischer Verringerung bedrohten Kommunisten noch einige gemütliche Jahre verleben, stattdessen wurden sie im Winterschlaf gestört.

Selbst liberale Wähler entschieden sich für die KPRF, weil deren Einzug ins Parlament sicher und die Stimme nicht ganz verloren schienen. In sozialen Fragen wagt die KP gelegentlich Widerspruch. Außenpolitisch liegen sie voll auf Kreml-Linie.

Die russische KP gehört zu den wenigen kommunistischen Parteien Europas, die sich nach dem Zusammenbruch der UdSSR nicht in Richtung Sozialdemokratie bewegt und auch sonst keinen Deut verändert haben. Dennoch ist nicht Antikapitalismus ihr Markenzeichen, sondern eine feindliche Haltung gegenüber jeglicher Modernisierung der russischen Gesellschaft. Die KP gehört zur Systemopposition, die der Kreml nicht nur duldet, sondern bewusst auch mit ins eigene Kalkül einbezieht. An dem Vizechef der Präsidialadministration, Wladislaw Surkow, der für Ideologie und Propaganda zuständig ist, kommt auch Gennadi Sjuganow nicht vorbei.

Noch sind die Kommunisten zum Kampf entschlossen. Sie drohen, auf die Duma-Mandate zu verzichten und Neuwahlen zu erzwingen, wenn die Zentrale Wahlkommission nicht eingesteht, dass die KP-Ergebnisse bewusst geschmälert wurden. Surkow hält es mit dem alten Genossen Stalin, den auch "Onkel Sju" noch immer verehrt. "Es kommt nicht darauf an, wer wählt, sondern zählt." Neuwahlen sind daher nicht zu erwarten, man wird sich einig.

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