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Rußland: Volksentscheid über Neuwahlen?

■ Jelzins Niederlage: 740 gegen 51 Stimmen

Moskau (AFP) – Der russische Präsident Boris Jelzin hat am Donnerstag die offene Kraftprobe mit dem Kongreß der Volksdeputierten gesucht. In einer zehnminütigen Rede vor den Abgeordneten forderte Jelzin, daß russische Volk solle sich in einem Referendum am 24. Januar zwischen ihm und dem Kongreß entscheiden. Den Deputierten warf Jelzin in seiner von Protestrufen und Pfiffen unterbrochenen Rede vor, einen „schleichenden Putsch“ vorzubereiten.

Das Referendum sollte nach den Vorstellungen Jelzins am 24. Januar 1993 abgehalten werden, am 27. März sollten bei einem positiven Ausgang der Abstimmung für den Kurs des Präsidenten Neuwahlen folgen, hieß es in dem von Jelzin eingebrachten Vorschlag. Die Volksdeputierten lehnten das Referendum in einer Resolution mit 740 Stimmen bei 51 Gegenstimmen ab. Statt dessen schlugen die Deputierten vor, einen Volksentscheid darüber abzuhalten, ob neue Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen abgehalten werden sollten. Anschließend stimmte der Kongreß mit großer Mehrheit für eine Vermittlung durch den russischen Verfassungsgerichtshof, der die politische Krise lösen soll.

Unterdessen demonstrierten vier- bis fünfhundert Menschen auf dem Manege- Platz in der Nähe des Kremls, um ihre Unterstützung für Jelzin zu bekunden. Vor dem Lenin-Museum protestierten zur gleichen Zeit rund 300 Personen gegen den Präsidenten, den sie auf Plakaten als „Scheindemokraten und „amerikanischen Agenten“ bezeichneten. Tagesthema Seite 3

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