Russische Opposition: Eine bunte Truppe
Sie sind National-Bolschewisten, Dissidenten, Umweltschützer und sie haben unterschiedliche Ziele. Die russische Opposition eint nur der Gegner.
BERLIN taz | Das hätten sich viele Dissidenten, die in der Sowjetunion gegen die kommunistische Diktatur gekämpft hatten, niemals träumen lassen: dass sie eines Tages mit Gruppen, die Hammer und Sichel in ihrer Symbolik führen, gegen eine nichtkommunistische Regierung auf die Straße gehen.
Die Demonstrationen vom Samstag zeigten erneut, wie bunt die russische Opposition zusammengewürfelt ist. Eduard Limonow, Führer der National-Bolschewisten, trat am 31. Juli gewaltfrei für die Versammlungsfreiheit ein - Seite an Seite mit den langjährigen Dissidenten Lew Ponomarjow und Ljudmilla Alexejewa. Ein Blick auf die Homepage der National-Bolschewisten lohnt sich. Dort wird für das Buch "Die totale Mobilmachung" des umstrittenen deutschen Schriftstellers Ernst Jünger geworben.
Ein Link führt auf eine Seite, die die Rehabilitierung von Stalins Chefs des Geheimdienstes NKWD, Lawrenti Beria, fordert. Ein weiterer führt auf eine Seite, die dem Gründer der sowjetischen Geheimpolizei "Tscheka", Felix Dserschinski, huldigt. Auf den Plakaten der Organisation findet sich immer mal wieder eine "Limonka" - eine Handgranate.
Lew Ponomarjow sieht sich in der Tradition der Gegner der kommunistischen Regierungen der UdSSR. Als Präsident Boris Jelzin 1993 das Parlament, in dem die Kommunisten das Sagen hatten, mit Panzern stürmen ließ, sympathisierte er mit Jelzin.
Ausgerechnet Jelena Bonner, die Witwe des Mitbegründers der Menschenrechtsorganisation "Memorial", Andrei Sacharow, der 1975 für seinen Kampf für Meinungsfreiheit in der Sowjetunion den Friedensnobelpreis erhalten hatte, verwahrte sich im Vorfeld der Demonstration vom 31. Juli gegen eine Ausgrenzung Limonows.
Ebenfalls auf dem Platz des Triumphes mit dabei waren Mitglieder der Ende 2008 von liberalen Kremlkritikern um den früheren Schachweltmeister Gari Kasparow und den ehemaligen Vizepremier Boris Nemzow gegründeten neuen Oppositionsbewegung "Solidarnost".
Wenn Häuser abgerissen werden, weil Spekulanten an dem Bauland interessiert sind, oder Umweltaktivisten gegen Rodungen kämpfen, dann sind auch die Aktivisten um Sergei Udalzow von der "Linken Front" zur Stelle.
Während sich das Augenmerk auf die Demonstrationen am 31. Juli für das Recht auf Versammlungsfreiheit richtete, entspann sich von der westlichen Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt ein weiterer, nicht weniger erbittert geführter Konflikt in der Moskauer Vorstadt Chimki. Mehrere hundert vermummte Jugendliche hatten dort am 28. Juli aus Protest gegen die Rodungen eines Waldes das Gebäude der Stadtverwaltung belagert sowie deren Fenster und Türen beschädigt. Den Protesten vorausgegangen war ein Konflikt zwischen Umweltschützern und einer Firma, die den Wald rodet, um Platz für eine Autobahn zu schaffen.
Neben der Bürgerinitiative von Chimki waren bei den Protesten gegen die Rodung auch Greenpeace und die "Linke Front" sowie zahlreiche Gruppen aus dem autonomen und antifaschistischen Spektrum und die liberale Jabloko-Partei mit dabei. Die Sprecherin der Umweltschützer, Jewgenija Tschirikowa, hat nach Morddrohungen Chimki verlassen und hält sich derzeit bei Freunden in Moskau auf.
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