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PATRIOTISMUSAlexander Owetschkin hat seinen Kampf um Olympia aufgegeben. Jetzt gilt der Eishockeystar als Verräter

Alexander Michailowitsch Owetschkin ist einer der besten Eishockeyspieler der Welt. Das weiß man in Nordamerika zu schätzen, wo er seit 2005 bei den Washington Capitals spielt. Über 1.000 Scorerpunkte hat er für seinen Klub erzielt. Damit ist er der drittbeste Russe, der je in der NHL gespielt hat. Der linke Flügel mit dem gewaltigen Schuss ist auch in seiner Heimat ein Held. Dreimal hat er mit der Nationalmannschaft den Weltmeistertitel gewonnen, etliche Bronze- und Silbermedaillen obendrein. Wann immer es sein von der Liga bestimmter Terminkalender zuließ, hat er für die Nationalmannschaft gespielt. Und plötzlich gilt er in seiner Heimat als Verräter.

Als „Irrläufer“ hat ihn der russische Vizepremier und ausgewiesene Nationalist Dmitri Rogosin bezeichnet, nachdem Owetschkin verkündet hat, nun doch nicht an den Olympischen Winterspielen in Pyeonchang teilzunehmen. Letzte Woche veröffentlichte der 32-Jährige ein zerknirschtes Statement, in dem er den Kampf um ein Startrecht bei Olympia für gescheitert ­erklärte. Die NHL hatte sich mit den Olympiern vom IOC nicht auf ein Startrecht bei den Spielen für die Profis, die in Nordamerika unter Vertrag stehen, einigen können. Die Spiele in Südkorea schienen der NHL nicht attraktiv genug, um für das eigene Geschäft Werbung machen zu können. Die Folge: Viele der besten Profis werden nicht in den Kampf um Olympiamedaillen eingreifen können. Sie dürfen es schlicht nicht.

Das war lange bekannt. Auch Owetschkin wusste das. Und doch hat er immer wieder behauptet, an den Spielen teilnehmen zu wollen, hatte getönt, dass ihn niemand daran hindern könne, hatte den überzeugten Russen herausgekehrt, für den es nichts Größeres geben kann als eine Teilnahme an den Olympischen Spielen. In Nordamerika hat ihm das nie jemand abgenommen. In Russland wurde er gefeiert für seine Ankündigung, gegen die Liga rebellieren zu wollen. Kein Wunder, dass er jetzt ziemlich dämlich dasteht.

Dmitri Rogosin jedenfalls findet durchaus seine Fans, wenn er jetzt sagt: „Also ich würde ja gerne für die Nationalmannschaft spielen, ich würde auch einen Weg finden. Und dazu braucht es keine Anwälte.“ Man solle Owetschkin entscheiden lassen und dann sehe man schon, was diesem wichtig sei und was nicht. Das darf man getrost als gemein bezeichnen. Und seitdem tobt in den sozialen Medien eine Auseinandersetzung darüber, ob Owetschkin ein Vaterlandverräter ist oder nicht.

Ein Vorwurf ist da besonders oft zu hören. Wenn Owetschkin wirklich bei Olympia hätte spielen wollen, dann hätte er vor der Saison in die russisch-dominierte Kontinental Hockey League wechseln können. Andere hätten das schließlich auch gemacht. Roman Ljubimow ist vor der Saison von den Philadelphia Flyers zu ZSKA Moskau gewechselt, um seinen Traum von Olympia weiterleben zu können. Beim selben Klub hat auch Nikita Nesterow angeheuert, der in der vergangenen Spielzeit noch in der NHL für die Montreal Canadiens verteidigt hat.

Owetschkins Verteidiger haben da einen schweren Stand. Gegen sie wird ins Feld geführt, dass Russland mit Owetschkin noch keine Olympiamedaille gewonnen hat. Es könne also nur besser werden. Um die Familie Owetschkin müsse man sich eh nicht sorgen. Die habe genug Gold. Alexanders Mutter Tatjana Owetschkina war Basketballerin und hat 1976 und 1980 Olympiagold gewonnen.

Andreas Rüttenauer

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