Russen wollen Truppenabzug aus Georgien beginnen: Deutsche Waffen illegal im Krieg
Laut dem ARD-Magazin "Report Mainz" seien Georgiens Soldaten illegal mit Gewehren von Heckler&Koch ausgerüstet worden. Russland kündigt Rückzug an, stationiert aber Raketenabschussanlagen in Südossetien.
MOSKAU/TIFLIS/PARIS/WASHINGTON/BERLIN dpa/taz - Im Südossetien-Krieg sollen auf georgischer Seite deutsche Waffen zum Einsatz gekommen sein. Laut einem Bericht des ARD-Magazin "Report Mainz" berichtet, sei das georgische Militär illegal mit deutschen Waffen ausgerüstet worden. Spezialeinheiten seien unter Verletzung der Export-Bestimmungen der Bundesregierung mit deutschen Sturmgewehren der Firma Heckler&Koch beliefert worden. Dem SWR-Magazin liegen aktuelle Fotos vor, die georgische Soldaten mit diesen Waffen in Südossetien zeigen.
Wie die Gewehre ihren Weg in die Konfliktregion fanden, ist bislang ungeklärt. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWI) versicherte dem "Report Mainz" zufolge, es habe keine Genehmigung zur Ausfuhr der Waffen nach Georgien erteilt. Der oberschwäbische Rüstungskonzern Heckler&Koch hat bisher keine Stellungnahme zu dem Fall abgegeben.
Laut dem britischen Fachmagazin Jane's Defence hatte Heckler&Koch zwar einen Antrag an die Bundesregierung gestellt, 200 G 36-Exemplare mit kurzem Lauf und 30 G 36 "Commando short carbine rifles" liefern zu dürfen. Das BMWI habe jedoch diesen Antrag mit Verweis auf die Territorialkonflikte in Georgien abgelehnt.
Unterdessen will Russland mit dem Abzug seiner Truppen aus Georgien beginnen. Der russische Präsident Dmitri Medwedew hatte am Sonntag den Rückzug angeordnet. Der Befehl betreffe jene Einheiten, die zur Verstärkung der russischen Friedenstruppen an der Offensive in Georgien teilgenommen hätten. Der Abmarsch der Russen, der gegen Montag mittag beginnen soll, gehört zu dem mit europäischer Hilfe ausgehandelten Friedensplan.
Sollte Russland seine Zusage nicht schnell erfüllen, will der französische Präsident Nicolas Sarkozy einen EU-Sondergipfel einberufen. Das Abrücken der Truppen auf ihre Ausgangspositionen müsse "unverzüglich erfolgen", erklärte Sarkozy in einem Beitrag für die Zeitung Le Figaro. "Dieser Punkt ist in meinen Augen nicht verhandelbar. Er muss alle russischen Streitkräfte betreffen, die seit dem 7. August nach Georgien gekommen sind. Nach Schätzungen stehen mehr als 10 000 russische Soldaten im georgischen Kernland sowie dem abtrünnigen und von Moskau protegierten georgischen Gebiet Südossetien.
Zur Stabilisierung der Lage seien weitere Schritte nötig, schrieb Sarkozy. Der UN-Sicherheitsrat solle die ersten Ergebnisse juristisch sichern. Eine internationale Regelung solle die Parteien trennen. Zudem solle die Weltgemeinschaft den Flüchtlingen helfen und Georgien beim Wiederaufbau unterstützen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel bekräftigte bei ihrem Besuch in Tiflis am Sonntag die NATO-Perspektive für Georgien. Sie verlangte einen sofortigen und nachprüfbaren Rückzug der Russen. "Wir erwarten Signale und zwar nicht in Wochen, sondern in Tagen", sagte sie nach Gesprächen mit Georgiens Präsident Michail Saakaschwili.
Merkel sagte bei ihrem Kurzbesuch in Tiflis, dass internationale Friedenstruppen in dem Krisengebiet stationiert werden sollten. "Aus meiner Sicht muss das aber schnell geschehen." Die Europäische Union und Deutschland seien bereit, sich daran zu beteiligen. Saakaschwili forderte ebenfalls eine internationale Kontrolle über den Abzug der Russen. Allerdings akzeptiere er keine russischen Friedenstruppen, "weil sie Teil des Konflikts waren".
"Georgien wird - wenn es will - Mitglied der NATO sein", betonte die Kanzlerin. Deutschland sehe keinen Grund, den Beschluss des NATO- Gipfels vom April in Bukarest aufzuweichen. Moskau lehnt einen NATO- Beitritt Georgiens strikt ab. In Bukarest war auf Betreiben Deutschlands und Frankreichs kein Zeitplan für eine Aufnahme Georgiens genannt worden, Grund waren die ungelösten Konflikte um die georgischen Provinzen Abchasien und Südossetien.
Bei dem in der Nacht zum 8. August ausgebrochenen Konflikt hatte Russland erstmals seit dem Zerfall der Sowjetunion Soldaten, Panzer und Kampfjets zum Kriegseinsatz über seine Grenzen in ein Nachbarland geschickt. Russland nannte den Einsatz eine Friedensmission zum Schutz der südossetischen Bevölkerung vor Georgien. Die georgische Regierung spricht dagegen von einer russischen Invasion.
Die Lage im Konfliktgebiet blieb auch am Wochenende vielerorts unruhig. Russische Truppen kontrollierten nach Augenzeugenberichten am Wochenende weiterhin die wichtige Verbindungsstraße von Tiflis zur nordwestlich gelegenen Stadt Gori. Sie besetzten auch das Wasserkraftwerk am Fluss Inguri an der Grenze zu Abchasien. Dies sei eine Schutzmaßnahme gegen mögliche Sabotage, um die Stromversorgung in zehntausenden Haushalten sicherzustellen.
Laut der Montagsausgabe der New York Times hatte das russische Militär erst am Freitag mehrere Abschussanlagen für Kurzstreckenraketen vom Typ SS-21 nach Südossetien verlegt. Die Zeitung beruft sich auf amerikanische Beamte, die über entsprechende Geheimdienstberichte informiert seien. Von den neuen Positionen nördlich der südossetischen Hauptstadt Zchinwali könnten die Raketen große Teile Georgiens einschließlich der Hauptstadt Tiflis erreichen, schrieb das Blatt.
Weiter berichtete die Zeitung, westliche Beobachter hätten russische Truppenbewegungen registriert, die möglicherweise auf eine Verstärkung der russischen Kräfte in und um Georgien herum schließen ließen. Demnach sei ein Bataillon nach Beslan in Nordossetien verlegt worden. Mehrere Bataillone seien offenkundig am Wochenende auf eine Stationierung in der Kaukasus-Region vorbereitet worden.
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