: Rundumschlag
■ betr.: „Risiken der Wissenschaft“, „Bioethik ohne parlamentarisches Plazet“, taz vom 22./23.8.98
Als vielleicht nicht ganz typische langjährige taz-Leserin (73, katholisch) und als Vorsitzende eines Hospiz-Vereins möchte ich Ihnen meine Verwunderung über die polemische und einseitige Berichterstattung Ihres Autors Klaus-Peter Görlitzer zur Sterbebegleitung/ Patientenverfügung-Diskussion zur Kenntnis bringen.
Noch ziemlich gesund und meiner Sinne mächtig, bin ich sehr daran interessiert, daß – „wenn meine Lebensuhr abgelaufen ist“ – mein Leben so friedvoll wie möglich enden kann. Das heißt: ich wünsche mir keinerlei medizinisch-technische Verlängerungen meines physiologischen „Da- Seins“, die allein der Verzögerung des Sterbeprozesses dienen. Den Zeitpunkt festzustellen, „an dem mir mein Ende nahe ist“, überlasse ich, sofern ich das selbst nicht mehr erfassen kann, getrost und vertrauensvoll mir eng verbundenen Menschen und der/dem, wie ich hoffe, verantwortungsbewußten Ärztin/ Arzt. Von solchen kenne ich einige.
Die Art und Weise, in der Ihr Autor in seinen Beiträgen der letzten Zeit unterstellt, daß es bei dieser Diskussion um einen Freibrief zur willkürlichen Tötung „unwerten“ oder zur Last fallenden Lebens geht (von Koma- und Wachkoma-Patienten, Schwerstbehinderten, dementen Alten und Alzheimerkranken), erscheint mir schon bösartig. Er kriminalisiert in einem Rundumschlag alle EthikerInnen, MedizinerInnen, JuristInnen und sozialen Institutionen, die nach einem gegen Mißbrauch abgesicherten Verfahren suchen, sterbende Menschen, die sich frei dafür entschieden haben, menschenwürdig, möglichst schmerzfrei, ohne sterbenverlängernde Maßnahmen in ihren Tod gehen zu lassen.
Dies ist ein sehr diffiziles und sehr intimes Thema – zudem belastet von verbrecherischem Mißbrauch in der Nazizeit –, so daß es nicht leicht angemessen und unmißverständlich in Worte zu fassen ist. Die Einseitigkeit, mit der es bisher in der taz behandelt worden ist, schürt allerdings nur Emotionen und Ängste und sät Mißtrauen in jede Beziehung zwischen Menschen in dieser besonderen Situation wie in die damit befaßten sozialen und Rechts-Institutionen. Außerdem öffnet sie doch dem, was anscheinend vermieden werden soll, der Allmacht der Wissenschaft über Leben und Tod, erst recht Tür und Tor. Dr. Anneliese Lissner, Erkrath
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