Runder Tisch in Pinneberg: Moschee-Verein muss draußen bleiben
Pinnebergs Bürgermeisterin Kristin Alheit (SPD) lädt zum Gespräch über die angebliche "Problem-Moschee". Deren Vertreter sind nicht dabei - Verfassungsschutz und Innenministerium dagegen schon.
PINNEBERG taz | Wenn Pinnebergs SPD-Bürgermeisterin Kristin Alheit am heutigen Dienstag ins Rathaus lädt, werden diejenigen fehlen, über die geredet wird. "An dieser Gesprächsrunde werden keine Vertreter der Moschee an der Dingstätte dabei sein", steht auf der Einladung. Stattdessen habe sich der Leiter des schleswig-holsteinischen Verfassungsschutzes, Horst Eger, "dankenswerterweise dazu bereit erklärt, an diesem Termin teilzunehmen". Eger werde "seine Informationen sowie Bewertungen mit uns austauschen".
Was Eger von der Moschee an der Dingstätte hält, ist bekannt. "Ja, das ist unsere neue Problem-Moschee", zitierte die Bild-Zeitung den obersten Verfassungsschützer aus Kiel, nachdem dort der ehemalige Rapper Deso Dogg aufgetreten war. Der ist inzwischen als Prediger Abu Malik unterwegs und hatte bei einer muslimischen Tagung in Rheinland-Pfalz ein Lied gesungen, in dem er Sympathien für den bewaffneten Dschihad erkennen ließ.
Tatsächlich aber sprach der Ex-Rapper in der Pinneberger Moschee über seine Wandlung zum gläubigen Muslim, das Lied wurde nicht gesungen. "Wir hätten das niemals erlaubt", sagt Slim Kliti vom Vorstand der "Muslimischen Vereinigung Pinneberg", die den Moscheeraum angemietet hat. Der Mietvertrag ist inzwischen gekündigt worden. "Wenn die vom Verfassungsschutz was Handfestes gegen uns haben, sollen sie mich anrufen", sagt er. "Aber das haben sie nicht."
Weil er ein Verbot der Moschee gefordert hatte, wurde der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Pinneberg, Wolfgang Seibert, auf der Webseite www.islamic-hacker-union.net als "Judensau" beschimpft.
Die Webseite wurde inzwischen gesperrt, ihr Betreiber, ein 18-jähriger Pinneberger, wich auf einen türkischen Provider aus. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Der Vorstand der Moschee hat sich von der Seite und von jeglichem Aufruf zum bewaffneten Kampf distanziert. Dennoch wurde der Mietvertrag gekündigt.
Bürgermeisterin Alheit hatte ursprünglich einen runden Tisch geplant, an dem auch Kliti und die anderen beiden Vorstandsmitglieder der "Muslimischen Vereinigung" hätten sitzen sollen. Ein erstes Vorgespräch zwischen ihr und den Vorständen hatte es schon gegeben, doch dann war die Pinneberger Bürgermeisterin von ihrem Plan abgerückt. Verfassungsschutz und Landeskriminalamt hätten sie davon überzeugt, dass es in der Moschee "demokratiefeindliche und gewaltverherrlichende Tendenzen" gebe, sagt Alheit.
"Man kann sich nicht mit Extremisten an einen Tisch setzen", sagt Verfassungsschutz-Chef Eger - und sieht sich darin einig mit dem Berliner Innen-Staatssekretär Ole Schröder (CDU). "Runde Tische eignen sich, wenn Kompromisse gefunden werden müssen", ließ er mitteilen. "Unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung" sei aber "nicht ansatzweise verhandelbar".
Die Verfassungsschützer sagen, dass nach der Schließung der Hamburger Taiba-Moschee ein größerer Teil der dortigen radikalen Szene nach Harburg abgewandert sei - und ein kleinerer Teil nach Pinneberg, in die Alsunnah-Moschee. Besonders bedenklich sei, dass dort ein Mann predige, den der Verfassungsschutz "den Sprachlehrer" nennt. An der Taiba-Moschee soll er zum "harten extremistischen Kern" gehört haben. Moscheevorstand Kliti bestätigt, dass der Mann bei ihnen war. "Der hat uns Arabisch beigebracht, aber das wars auch", sagt er. "Über Dschihad hat der nie geredet." Letzte Woche habe der Sprachlehrer dann den Schlüssel abgegeben. Gerüchte, nach denen einer aus dem Moscheevorstand in einem pakistanischen Ausbildungslager gewesen sein soll, haben sich mittlerweile zerschlagen. "Glauben Sie das nicht, da ist nichts dran", sagt Verfassungsschutz-Chef Eger.
Bürgermeisterin Alheit sagt, dass sie mit den Moschee-Leuten im Gespräch bleiben wird. "Das Gespräch ist nicht abgeschlossen", sagt sie. Nur eben jetzt, bei der "Informationsveranstaltung", hätten sie nichts zu suchen. "Da ist ja nun auch der Herr Eger da, und es ist wichtig, dass er sagt, was er weiß." Im Beisein der beobachteten Personen wäre das schlecht möglich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe