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Rumpelnde Klangmaschine

Von der Physik zur Musik: Der brasilianische Musiker Moreno Veloso tritt in die Fußstapfen seines Vaters

Nein, in Physik, wie seine Pressetexte behaupten, kann er keinen Doktor vorweisen. Moreno Veloso hat zwar Physik studiert, das Studium jedoch abgebrochen. Zugunsten der Musik? Das kann er nicht gerade behaupten. Vielleicht diente sein Physikstudium auch dazu, eine ganz andere Laufbahn als die seines Vaters einzuschlagen. Denn welcher Brasilianer will sich schon an Caetano Veloso messen lassen?

Der gehört noch immer zu den produktivsten Liedermachern seines Landes. Und hatte vor über 30 Jahren zusammen mit Gilberto Gil die avantgardistische Bewegung der Tropicália ausgerufen: eine musikalische Montage aus Einheimischem und angelsächsischem Pop, aus Tradition und Provokation.

Moreno Veloso hat sich diesem Erbe nicht verweigern wollen. Bis vor kurzem arbeitete er noch in einem Labor in Rio de Janeiro, lebt nun aber hauptsächlich von seiner Musik. Die Fußstapfen des Vaters erscheinen ihm nicht zu groß. Schließlich sind auch andere Kollegen aus dem Schatten ihrer Eltern herausgetreten: Bebel Gilberto zum Beispiel, die Tochter des großen Bossa-Gitarristen João Gilberto. Oder Daniel Jobim, Enkel des Bossa-Pianisten und Komponisten Tom Jobim. Doch während Bebel Gilberto den angestaubten Bossa Nova nur noch als Sample widerhallen lässt, greift Moreno Veloso auf die traditionelle Kombination von Gesang und Gitarre zurück. Seine sanfte, helle Stimme kann sich hören lassen, das wunderbar leichte Saitenspiel ebenso. Darin erklingt natürlich das väterliche, brasilianische Erbe tropischer Geschmeidigkeit. Doch in einem Land, wo heute Stilbegriffe wie „Pandeiro ’n’ Bass“, „Amazon Jungle“ oder „Drum ’n’ Bossa“ florieren, gilt es, Musik ständig anders zu erfinden. Darum hat sich Moreno Veloso mit zwei Freunden darangemacht, eine Maschine auszutüfteln, um Musik zu schreiben – so etwa lässt sich der Titel des Debütalbums übersetzen. Auf dem Cover ist diese Maschine ein Transistor von 1968.

Die Platte selbst wirkt wie eine rumpelnde Zeitmaschine, die immer wieder in der Vergangenheit hängen bleibt und melodisch allen üblichen Sparten trotzt. Kassin, der Bassist, ist für die Elektronik zuständig. Domenico reibt lieber Sandpapier aneinander, als seinen Drumcomputer zu programmieren. Und Moreno Veloso hält sich selber für keinen begnadeten Sänger. Nettes Understatement. Für das Album holte er sich den Rat und die Hilfe seines erfahrenen Vaters. Doch Moreno weiß: „Heute haben wir mehr Einfluss auf die gesamte Produktion unserer Platten als damals, vor allem was den Sound betrifft. Früher war es wichtiger, was man singen wollte, der Klang galt eher als Nebensache.“ Dem Trio gelingt entspannte, erfrischend unprätentiöse „Musik, die im Freundeskreis zustande gekommen ist“. Dabei ist Veloso wohl auch seine naturwissenschaftliche Erfahrung zugute gekommen: „Die Physik bringt deinen Geist in ein mathematisches Verhältnis zur Natur. Die Musik dagegen stellt die gefühlsmäßige Verbindung her.“

ROMAN RHODE

Moreno Veloso + 2. Sonntag, 20 Uhr im Tränenpalast, Reichstagufer 17, Mitte

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