: Rumänien schiebt nicht mit
■ Regierung in Bukarest verweigert serbischen Flüchtlingen Transit / Abschiebeflüge gestrichen
Bonn/Berlin (taz) – Der nordrhein- westfälische Innenminister Herbert Schnoor hat die für morgen geplante Abschiebeaktion von Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien vorerst gestoppt; das Schicksal von mindestens 60.000 Serben, Montenegrinern und Kosovo-Albanern, die sich als Flüchtlinge in der Bundesrepublik aufhalten und abgeschoben werden sollen, bleibt aber weiter unklar. Bereits am Vormittag hatte Schnoor angekündigt, die Abschiebung zu stornieren, falls die Bundesregierung nicht zusagen könne, daß die Abmachungen mit Rumänien Bestand hätten. Die Flüchtlinge aus Nordrhein-Westfalen sollten über den rumänischen Grenzflughafen Temesvar an die serbische Grenze gebracht werden. Aus dem rumänischen Innen- und Außenministerium wurde jedoch gemeldet, es gebe keine entsprechende Abmachung. Bundesinnenminister Manfred Kanther bestätigte die Vorbehalte des rumänischen Außenministeriums, wollte jedoch nichts zu den Konsequenzen sagen. Innen- Staatssekretär Eduard Lintner sagte über den deutsch-rumänischen Verhandlungsstand vor dem Bundestag, es habe „Gespräche mit staatlichen Stellen“ und Luftfahrtgesellschaften gegeben. Für die „unverzüglich zu erfüllende Aufgabe“ der Rückführung mußte „nach alternativen Ausreisewegen gesucht werden“, da der direkte Flugweg nicht möglich sei. Es habe „jedenfalls auf Expertenebene“ eine vorläufige Regelung gegeben.
Abgeordnete der Oppositionsparteien und der FDP kritisierten in einer aktuellen Stunde die Flüchtlingspolitik, während Sprecher aus der Union die Rechtmäßigkeit der Rückführung betonten. Konrad Weiß (Bündnis 90/Die Grünen) verlangte, die Abschiebungen sofort einzustellen. SPD und FDP, die zwar davon ausgehen, daß bestimmte Gruppen zurückkehren können, forderten Bleiberechte für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer, Kosovo-Albaner und Flüchtlinge, die Minderheiten angehören. Es gehe wohl nicht an, sagte der FDP-Abgeordnete Burkhard Hirsch, „daß die anderen Blauhelme schicken und wir die Kriegsteilnehmer“.
Ebenfalls gestern fällte das Oberverwaltungsgericht in Schleswig ein Grundsatzurteil, wonach Albaner im Kosovo derzeit allein wegen ihrer ethnischen Abstammung verfolgt werden. Sie hätten deshalb Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte unabhängig von individuellen Verfolgungsgründen. Der dritte Senat begründete diese Grundsatzentscheidung damit, daß der serbische Staat bemüht sei, die Autonomiebestrebungen der Albaner mit allen Mitteln zu verhindern; darüber hinaus strebe er offenbar an, einen Großteil der Albaner aus dem Kosovo zu vertreiben. Alle Kosovo-Albaner müßten damit rechnen, Opfer gewalttätiger Übergriffe zu werden.
Die Belgrader Zeitung Politika berichtete gestern, daß den Bürgern Restjugoslawiens (Serbien und Montenegro), die als Kriegsdienstverweigerer und „Deserteure“ ins Ausland geflüchtet sind und jetzt aus Deutschland abgeschoben werden sollen, Gefängnisstrafen bis zu zehn Jahren drohen. Seit dem Herbst 1991 seien zwischen 110.000 und 200.000 Männer aus Serbien und Montenegro als Wehrdienstverweigerer geflohen. Seite 10
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